Neustadt Zwischen Italien und Kunstlied

Mit Bariton Christopher Jung hat Simon Reichert auf dem Tonträger „Wo läufst du hin?“ gearbeitet.
Mit Bariton Christopher Jung hat Simon Reichert auf dem Tonträger »Wo läufst du hin?« gearbeitet.

«Neustadt.» „Seicento“ und „Wo läufst Du hin?“ lauten die Titel der beiden jüngsten CD-Veröffentlichungen von Simon Reichert. In Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Posaunenconsort unter Leitung von Henning Wiegräbe und dem Bariton Christopher Jung lädt der Neustadter Bezirkskantor und international erfolgreiche Orgelvirtuose zum einen zu einer Zeitreise ins Italien des 17. Jahrhunderts ein, zum anderen in die Welt des Kunstlieds am Beispiel selten gehörter Gesänge von der Spätromantik bis in die Moderne. Eines vorweg: Eine exzellente Aufnahmetechnik darf den beiden unter den Label „paschenrecords“ produzierten CDs bescheinigt werden. Vor allem die in Soest an der Orgel der St. Paulikirche entstandene Aufnahme besticht mit ihrer faszinierenden Klangdifferenzierung im Zusammenwirken mit der sonoren Sangeskunst des Baritons Christopher Jung. Für Reichert, der sich seit vielen Jahren als Experte für historisches Orgelspiel profiliert hat, war es eine besondere Ehre, die Orgel der St. Paulikirche erstmals auf Tonträger vorzustellen, handelt es sich doch um ein historisch bedeutendes Beispiel barocker Orgelbaukunst. Das Instrument verfügt über einen Orgelprospekt von 1675, 29 Registern und einer pneumatischen Traktur und zählt zu den wenigen, in dieser Qualität in Deutschland noch existierenden Exemplaren. Eine Kostprobe der vielfältigen Klangmöglichkeiten des Instruments gibt Reichert zunächst mit Solostücken von Brahms – und gewährt damit gleichzeitig einen interessanten Einblick in dessen kleinen aber feinen Katalog an Orgelwerken. Die eigentliche Überraschung aber folgt mit Max Regers „Zwei Geistlichen Liedern“ (op. 105), wenn Reichert und Jung hinter der ruppigen Fassade des Spätromantikers den hypersensiblen Komponisten entdecken. Dass Neue Musik auch bei erstmaligem Hören durchaus gefallen kann, beweist das Duo mit dem Zyklus „Sechs Lieder für mittlere Singstimme und Orgel“ des im Jahre 2006 verstorbenen Komponisten Tilo Medoks. Den Abschluss der Aufnahme bildet schließlich den der CD ihren Namen gebende Liederzyklus „Wo läufst Du hin?“ des an der Hochschule für Musik in Würzburg wirkenden niederländischen Pianisten, Dirigenten und Komponisten Jan Roelof Wolthuis, womit sich das Duo ein weiteres Mal ins kalte Fahrwasser der Moderne, fußend auf Verse des barocken Mystikers Angelus Silesius, begibt. Für Christopher Jung, der unter anderem von der Zeitschrift „Opernwelt“ als „Bester Nachwuchssänger“ nominiert wurde, stellt das eher selten zu hörenden Genre des Orgelliedes eine besonders glückliche Verbindung geistlicher Inhalte und traditioneller Liedformen dar – ein exquisites Programm also, das neue Blicke auf die außergewöhnliche Klangkombination Orgel/Bariton ermöglicht. Ein breites Spektrum von der Renaissance bis zur Pop- und Funkmusik ist das Markenzeichen des Stuttgarter Posaunen Consorts des in Neustadt aufgewachsenen und seiner Heimat musikalisch treu verbundenen Leiters Henning Wiegräbe. Das Ensemble rekrutiert sich auch diesmal aus den aktuellen Studenten der Stuttgarter Posaunenklasse, die sich bei verschiedenen renommierten Wettbewerben des In- und Auslandes ausgezeichnet haben. Begleitet von Reichert präsentieren die mit jugendlichem Elan auftrumpfenden Nachwuchsmusiker ausschließlich Werke italienischer Meister des 17. Jahrhunderts, darunter berühmte Namen wie Giovanni Gabrieli oder Claudio Monteverdi, aber auch nahezu in Vergessenheit geratene Komponisten wie Gabriel Sponga oder Tiburtinus Massaino. Das klanglich faszinierend authentisch aufspielende Stuttgarter Posaunenconsort vermittelt eine lebendige Vorstellung von prunkvollen venezianischen Kirchenräumen und dem strahlenden Glanz, mit dem die Blechbläser vor vierhundert Jahren die Menschen staunen machten und die bis zum heutigen Tag nichts von ihrer Wirkung verloren haben.

Simon Reichert.
Simon Reichert.
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