Neustadt Zart, heiter, hoch emotional

«Neustadt.» In der Alten Winzinger Kirche hat Maria Stange am Samstag ein Harfen-Solokonzert gegeben als Benefizveranstaltung für die Tagesbegegnungsstätte „Lichtblick“ für wohnungslose und sozial benachteiligte Menschen in Neustadt.

Maria Stange, die neben ihrer ausgedehnten Konzerttätigkeit Professorin für Harfe an den Musikhochschulen von Stuttgart und Karlsruhe ist, stammt aus Neustadt und pflegt offensichtlich immer noch ihre Verbindung zur Heimat, den herzlichen Begrüßungen mit Besuchern nach zu schließen. Heute lebt sie in Bayern. Viele der Komponistennamen auf dem Programm sind Berühmtheiten in der „Harfenistenszene“, außerhalb jedoch fast unbekannt. Maria Stange hatte zu jedem Stück und seinem Komponisten genug zu sagen, um das Verständnis zu erleichtern. Die moderne Konzertharfe, so wie sie vor Maria Stange stand, gibt es erst seit etwa 1810, obwohl Harfen zu den ältesten Instrumenten der Menschen zählen. Entsprechend gibt es auch Kompositionen für die Konzertharfe erst seit dem 19. Jahrhundert. Zum Beginn spielte Maria Stange ein Stück von Nino Rota, das auf sehr melodiöse Art die Balance zwischen alter und neuerer Musik hielt. Nino Rota, der 1979 starb, ist besonders für seine Filmmusiken bekannt, die er für über 150 Filme komponierte, darunter „Der Pate“. Er verstand sich jedoch in erster Linie als klassischer Komponist. Seine „Sarabande und Toccata“ entstand 1945 ganz ohne Film. Versehen mit den barocken Satzbezeichnungen, hielt Rota sich an das Prinzip der barocken Musik, macht aber ein dramatisches Stück Musik daraus, zu dem sich die Zuhörer den dazu gehörenden Film selbst ausdenken konnten – Rota hatte keinen im Sinn gehabt. Germaine Tailleferre, mit über 90 Jahren 1983 gestorben, wurde Komponistin gegen den Willen ihrer Familie, weshalb sie ihren Namen änderte – sie hieß ursprünglich Taillefesse. Ihr Lento, langsamer Satz einer Harfensonate von 1957, war ein verträumt-spielerisches Stück und ließ mit seiner Rhythmik an ein selbstvergessenes kleines Mädchen denken, das die Straße entlanghüpft. Paul Hindemiths langsamer Satz einer Harfensonate war dagegen viel strenger, dramatischer im Ausdruck. Maria Stange wusste zu erzählen, dass Hindemith sie im Exil in der Schweiz komponierte, wobei eine Harfenistin, die er kannte, ihn unterstützte, indem sie mit ihm ausprobierte, was mit dem Instrument technisch machbar war. Noch ein langsames Stück war die „Berceuse“, ein Wiegenlied, des Amerikaners Nicolas Flagello von 1964, ein melodisches kleines Werk, das wie Filmmusik klang. Mit zwei Divertimentos von André Caplet, einem engen Mitarbeiter und Freund Claude Debussys, einem französischen heiteren, und einem spanischen sehr dramatischen, klang die erste Halbzeit aus. Louis Spohr, der in der Übergangszeit von Klassik zur Romantik komponierte und zu seiner Zeit der wohl größte Musikstar als Geiger war, war der älteste Komponist auf dem Programm. Er war mit einer Harfenistin verheiratet, die als Solistin durch Europa reiste, und er schrieb viel für sie. Etwa 1807 eine Fantasie in c-moll, die klang, als ob ein ganzes Orchester vielstimmig spielte. Ein Gedicht von Paul Verlaine, „Une chatelaine a sa tour“ war die Inspiration für des Stück von Gabriel Fauré mit dem gleichen Titel. Es geht um eine Dame wie aus der Zeit der Minnelieder, geheimnisvoll, unerreichbar und fast überirdisch schön. Fauré machte daraus ein zartes, sehr romantisches Harfensolo. Den offiziellen Abschluss bildete „Scintillation“, ein Stück, 1934 von Carlos Salzedo komponiert, um möglichst viel von den Techniken zu zeigen, die mit der Harfe möglich sind. Salzedo, Franzose mit spanischen Wurzeln, war Harfenist und 1909 in die USA ausgewandert, wo er nicht nur eine glänzende Karriere machte. Sondern auch mit vier seiner Schülerinnen verheiratet war, „nacheinander“, versicherte Maria Stange. Nicht nur im letzten Stück zeigte sie, was alles in der Harfe steckt. Wer noch kein Fan war, war es hinterher.

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