Neustadt Wohnraum in Neustadt: Keine schnelle Hilfe in Sicht

Der Caritas-Verband hat bundesweit eine Aktion für bezahlbaren Wohnraum gestartet. Ins Auge fallen seine Plakate unter dem Motto
Der Caritas-Verband hat bundesweit eine Aktion für bezahlbaren Wohnraum gestartet. Ins Auge fallen seine Plakate unter dem Motto »Jeder Mensch braucht ein Zuhause«, wie hier in Kaiserslautern.

Ein Zuhause für jeden (1): Mehr bezahlbarer Wohnraum – ein Thema, das seit Monaten bundesweit für Gesprächsstoff sorgt und das viele Facetten hat. In unserer Serie soll schlaglichtartig die Situation in Neustadt beleuchtet werden. Heute: Die Ausgangslage aus Sicht des Sozialdezernenten.

Soll Neustadt ein „Bündnis für Wohnen“ schmieden? Darüber will sich der Stadtrat Gedanken machen. Es geht um mehr bezahlbaren Wohnraum, nicht nur mit Blick auf Menschen ohne feste Bleibe, sondern auch auf jene mit schmalem Geldbeutel: manche Senioren, Alleinerziehende, Menschen mit Handicap, Geringverdiener, Flüchtlinge. Vermutlich in der Augustsitzung wird der verwaltungsintern gebildete Arbeitskreis dem Stadtrat Daten zum Ist-Zustand vorlegen. Auf dieser Grundlage soll beraten werden, ob, und wenn ja was die Stadt tun könnte, um das Angebot zu verbessern. „Wir arbeiten derzeit an der Bestandsanalyse“, sagt Bürgermeister Ingo Röthlingshöfer. Als Sozialdezernent ist er sozusagen der Kopf der Projektgruppe Wohnen, in der sich Vertreter des Sozialamts, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und der Stadtplanung Gedanken machen. Viel Hoffnung darauf, dass am Ende eine konkrete Zahl steht, „die belegt, so und so viele Wohnungen brauchen wir“, will er aber nicht wecken. Dazu sei das Thema zu komplex. Um es richtig aufzubereiten, sei vielleicht sogar eine wissenschaftliche Begleitung gefragt, verbunden mit der Frage, was andere Kommunen tun. Aufgenommen in die Analyse werden verschiedene Aspekte. Zunächst „die Fülle von Lösungen durch die klassische Sozialarbeit“, wie es Röthlingshöfer beschreibt. Leerstände im Stadtgebiet werden ermittelt, es wird geprüft, was noch an Bauprojekten möglich sein könnte, ob eine Sozialquote für private Projekte eingeführt werden soll. Oder auch, ob es ältere Neustadter gibt, die sich in ihrem großen Haus nicht mehr wohlfühlen, sich verkleinern und dabei vermieten wollen. Danach wäre aus Sicht des Sozialdezernenten der Blick auf die betroffene Klientel wichtig. Wie über Adressen, die über die Tagesbegegnungsstätte „Lichtblick“ bekannt sind. „Gefragt werden muss, was genau hinter den Adressen steckt“, so Röthlingshöfer. Sprich: Die Situation kann jeweils ganz unterschiedlich sein: ein Mensch mit Alkoholproblemen, ein Mensch mit einem großen Hund, von dem er sich nicht trennen will, ein Mensch, der gar nicht in einer richtigen Wohnung leben will, sondern lieber in einer Gartenlaube bleiben würde. Klar ist laut Röthlingshöfer nur: „Wir haben nicht genug Personal, um dieses Thema entsprechend aufzubereiten.“ Mit mehr Stellen indes könnte beispielsweise eine Fachstelle Wohnen aufgebaut werden, deren Ziel es wäre, „Wohnungslosigkeit wo auch immer zu vermeiden“. „Ein Zimmer, Küche, Bad, etwa 30 Quadratmeter“ ist nach der Erfahrung des Bürgermeisters schon jetzt die Wohnungsgröße mit der stärksten Nachfrage. Die Situation werde sich verschärfen, wenn die Baby-Boomer-Jahrgänge mittelfristig ins entsprechende Alter kämen. Folglich werde auch für Senioren die Wohnungsfrage immer entscheidender. „Das ist eines der zentralen Zukunftsthemen, mindestens ebenso wichtig wie die Innenstadtentwicklung“, ist er überzeugt. Die aktuelle Situation ist auch für Röthlingshöfer klar: Massive Mietpreissteigerungen, die darauf schließen lassen, dass Wohnungen knapp sind. Immer wieder kommt es auch vor, dass Mietern auf dem privaten Markt saftige Mietpreiserhöhungen ins Haus stehen. Oft unbegründet und damit der Versuch, von der aktuellen Mietpreissituation zu profitieren. Was aber macht dann zum Beispiel die alte Frau, die sich 100 Euro mehr Miete monatlich nicht leisten kann? Anfang der 2000er-Jahre sei die Situation ähnlich gewesen, erinnert der Sozialdezernent. Da weder Stadtverwaltung noch Wohnungsbaugesellschaft Mieter beraten dürften, sei damals für einige Zeit ein Kooperationsvertrag mit dem Mieterschutzverein geschlossen worden. 2019 wird das aktuelle Angemessenheitsgutachten fortgeschrieben. Es legt fest, wie hoch der Quadratmeterpreis sein darf, wenn die Miete über Wohngeld bezahlt wird. 2017 gab es laut Röthlingshöfer eine deutlich Erhöhung, vermutlich werde eine weitere folgen. Indes seien die Werte nur noch „Richterrecht“, würden also durch Verfahren am Bundessozialgericht festgelegt. „Für Leute mit kleinem Einkommen bleibt es trotzdem schwierig“, prognostiziert er. Unabhängig von der Datenlage sieht Röthlingshöfer aber insgesamt wenig Chancen, dass die Stadt selbst schnell für Abhilfe sorgen kann, egal, was die Politik beschließen mag. „Die Stadt hat kaum eigene Flächen und kaum eigene leere Wohnungen“, sagt er. Neue Bauprojekte dauerten viel zu lange, und unter Umständen Überkapazitäten zu schaffen, weil sich die Situation bis zum Bauende wieder verbessert habe, sei nicht sinnvoll. Trotzdem muss sich etwas tun. Das weiß auch der Bürgermeister. Die einzige, die dazu im Moment in der Lage sei, sei die Wohnungsbaugesellschaft. Die Serie In Teil 2 lesen Sie, wie Menschen, die über die Tagesbegegnung „Lichtblick“gemeldet sind, ihre Lage beschreiben.

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