Neustadt „Wer zurückkommt, gilt als Verlierer“

Christian Schulze (34), hier bei der Landvermessung mit Kollegen aus der Forstabteilung des sierra-leonischen Landwirtschaftmini
Christian Schulze (34), hier bei der Landvermessung mit Kollegen aus der Forstabteilung des sierra-leonischen Landwirtschaftministeriums, war 2015/16 im Auftrag der Welternährungsorganisation in Westafrika.

«Deidesheim». Eindrücke und Erfahrungen aus seiner Zeit als Mitarbeiter der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (UN) in Sierra Leone und Liberia wird Christian Schulze bei einer Veranstaltung des „Freundeskreises ehemalige Deidesheimer Synagoge“ am Freitag im Ratssaal der Verbandsgemeinde schildern. Sein Vortrag „Migration in Afrika am Beispiel Sierra Leones“ sei kein wissenschaftliches Referat, sondern die Wiedergabe persönlicher Eindrücke, betont der Sohn des Vorsitzenden des Förderkreises.

Der 34-jährige Schulze, der in der Nähe von Mainz aufgewachsen ist und heute in Bonn lebt, hat in Mainz und im englischen Cardiff Politikwissenschaften studiert. Schwerpunkt seines Studiums waren Internationale Zusammenarbeit und besonders Entwicklungspolitik. Interesse an Afrika hat er auch deshalb, weil seine Mutter aus Algerien stammt. Sein Wissen über den Kontinent vertiefte er zudem durch einen Studenten-Job beim ZDF-Auslandjournal, wo er vor allem an Beiträgen über afrikanische Länder mitarbeitete. Nach dem Studium bewarb sich Schulze bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und arbeitete dann zwei Jahre für die GIZ als Entwicklungshelfer in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Danach habe er nach Deutschland zurück gewollt, weil seine Freundin hier lebte, erzählt Schulze. Mit ihr ist er inzwischen verheiratet, sie ist ebenfalls Politikwissenschaftlerin und außerdem Ethnologin. Ende 2014 bekamen beide Stellen bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der UN in Sierra Leone und Liberia. „Eigentlich sollten wir Ende 2014 nach Westafrika reisen, weil aber damals das Ebola-Fieber ausgebrochen war, konnten wir erst im Oktober 2015 nach Sierra Leone“, erzählt Schulze. Er habe in dieser Zeit in der Zentrale der FAO in Rom für das in Sierra Leone und Liberia geplante Projekt gearbeitet. Bei diesem Projekt ging es darum, Möglichkeiten zu finden, den Menschen den Zugang zu den Ressourcen Land, Wald und Fischgründe zu ermöglichen und diesen Zugang zu regeln. In vielen westafrikanischen Ländern, gerade auch in Sierra Leone und Liberia, seien der Besitz und die Nutzung von Agrarflächen, Wäldern und Fischgründen sehr ungleich verteilt, berichtet Schulze. Die Regierungen hätten große Teile der Agrarnutzflächen an ausländische Investoren verpachtet, Wälder würden von großen Firmen abgeholzt. Ziel des Projekts sei es, international geltende Leilinien durchzusetzen, so Schulze. So habe er einen Dialog zwischen verschiedenen Interessengruppen hergestellt und versucht, die Regierung bei deren Umsetzung zu unterstützen. Da viele Menschen keinen Zugang, etwa zu Ackerflächen haben, sei ihre Versorgung nicht gesichert. Das sei ebenso einer der Gründe, warum sie das Land verlassen, wie die schlechte staatliche Versorgung in Bereichen wie Bildung und Gesundheit, so Schulze. Verstärkt werde diese Situation durch die Auswirkungen des Klimawandels, nämlich extreme Dürren und extreme Regenzeiten. Über diese Gründe von Menschen, ihr Heimatland zu verlassen, will Schulze in seinem Vortrag ebenso sprechen, wie über die Ziele der Flüchtenden. Die meisten von ihnen gingen in andere afrikanische Länder, wie Senegal, Elfenbeinküste, Ghana und Gambia, um dort Arbeit zu finden. „Das war auch früher schon so“, weiß Schulze. Nur ein kleiner Teil verlasse Afrika. Wobei die frühere Kolonialmacht Großbritannien das bevorzugte Ziel der Sierra Leoner sei. Wer aus Liberia weggehe und Afrika verlasse, wolle meist in die USA. Auch auf die Vorstellungen, die viele Westafrikaner von Europa haben, wird Schulze in seinem Vortrag eingehen. Die gebildeten Schichten wüssten, dass es auch in Europa Armut gibt. Anders sei dies bei den meisten einfachen Menschen. „Die Europäer, die sie sehen, sind Vertreter von Firmen, Touristen und Entwicklungshelfer, so bekommen sie den Eindruck, dass es in Europa allen gut geht“, sagt Schulze. Diese Vorstellung werde durch das, was die Menschen im Internet erfahren, noch verstärkt. Problematisch sei die Situation für Geflüchtete, die aus Europa abgeschoben werden. „Viele haben die romantische Vorstellung, wenn man es nach Europa geschafft hat, dann kommt man automatisch zu Geld“, sagt Schulze. Deshalb würden Abgeschobene als Verlierer stigmatisiert. Schulze hat inzwischen einen Sohn, deshalb lebt er mittlerweile wieder in Deutschland und arbeitet jetzt in Bonn für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Termin Christian Schulze spricht am Freitag, 22. Juni, um 19 Uhr im Ratssaal der Verbandsgemeinde Deidesheim über „Migration in Afrika am Beispiel Sierra Leones“. Der Eintritt ist frei.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x