Neustadt „Versöhnung statt Revisionismus“

„Manche Dinge sieht man wegen seiner Familiengeschichte mit einem anderen Blick“: Tobias Meyer.
»Manche Dinge sieht man wegen seiner Familiengeschichte mit einem anderen Blick«: Tobias Meyer.

„Ich fühle mich nicht vertrieben“, antwortet Meyer, der vor dreieinhalb Jahren aus Hessen nach Haßloch gekommen ist, auf die Frage, ob er selbst ein Heimatvertriebener sei. Die Geschichte seiner Familie sei aber Teil seiner Person, und es gebe eine Verbindung zur Heimat seiner Großeltern. „Das ist ein Bauchgefühl“, sagt Meyer im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Es sei ihm „ein Herzensanliegen“, sich beim BdV zu engagieren. Zudem habe diese Familiengeschichte Einfluss darauf, „dass man manche Dinge mit einem anderen Blick sieht“. „Mir geht es nicht um Geschichtsrevisionismus“, betont Meyer. Von Forderungen, die einstigen Ostgebiete zurückzuholen, und revisionistischen Äußerungen grenze er sich klar ab. Ihm gehe es vielmehr um Integration. Bei den Vertriebenen, die nach dem 2. Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, sei die Integration überwiegend gelungen. Anders sehe dies teils bei den Russlanddeutschen aus, die als Spätaussiedler in die Bundesrepublik kamen und deren Landsmannschaft der Deutschen aus Russland inzwischen die größte Gruppe im BdV ist, wie Meyer berichtet. Er ist überzeugt, dass der BdV bei der Eingliederung der Russlanddeutschen in die Gesellschaft eine „wichtige Brückenfunktion“ habe. In seiner Kindheit habe sich durch seine Großeltern und Eltern eine enge Verbindung zu den Donaudeutschen – das sind die Deutschen aus Ungarn – entwickelt, erzählt Meyer. Die Großeltern hätten von ihrer Heimat berichtet, es habe Kulinarisches aus Ungarn gegeben, die Familie habe zu anderen Donaudeutschen Kontakt gehabt und sei regelmäßig nach Ungarn gereist. Als Lehrer habe er den Kontakt des Gymnasiums in Frankenberg, wo er unterrichtete, zu einem ungarndeutschen Bildungszentrum im südungarischen Baja mit organisiert, berichtet Meyer. Als Erwachsener wurde er Mitglied in der Landsmannschaft der Donaudeutschen, wollte im BdV mitarbeiten, doch dieser habe kein Interesse an ihm gezeigt. Das änderte sich, als Meyer nach Haßloch kam. Hier sei gleich ein guter Kontakt zur Donaudeutschen Landsmannschaft entstanden. Dadurch sei er mit dem Landesverband des BdV in Verbindung gekommen, erst zum stellvertretenden Vorsitzenden und dann zum Landesvorsitzenden gewählt worden. „Der Vorstand wollte sich verjüngen, und die Personaldecke in der Führungsebene ist nicht sehr groß“, sagt Meyer. Er weiß, dass der BdV ein „verstaubtes Image“ hat. Das zu ändern, sei für ihn ebenfalls ein Grund sich hier zu engagieren. Neben Integration gehört für Meyer das „Erinnern an das Unrecht nach 1945 an den Vertriebenen“ zu den Aufgaben des BdV. Und ebenso das Versöhnen – auch im Hinblick auf ein vereintes Europa. Auch dazu könne der BdV in besonderem Maß beitragen, ist Meyer überzeugt. Allerdings habe der rheinland-pfälzische Landesverband nur beschränkte Möglichkeiten, sich für diese Aufgaben zu engagieren, da es an Geld fehle, bedauert er. In einigen anderen Bundesländern werde der BdV finanziell unterstützt, in Rheinland-Pfalz sei das nicht der Fall. Meyer kritisiert auch, dass Rheinland-Pfalz deutsche Minderheiten in anderen Ländern nicht unterstütze, auch nicht in der rheinland-pfälzischen Partnerregion Oppeln in Polen. Als Landesvorsitzender warte einiges an Arbeit auf ihn, sagt Meyer. So wolle er Kontakte zu den politisch Verantwortlichen im Land und zu den Fraktionen im Landtag aufbauen, ein neuer Internet-Auftritt und eine Informationsbroschüre sollen erstellt, die Strukturen innerhalb des Landesverbands und die Kontakte zu den Landsmannschaften müssten belebt werden. Für 16. September ist ein „Tag der Heimat“ in Germersheim geplant. „Meine Familie und mein Beruf gehen aber vor“, betont Meyer. Wobei er seine Tätigkeit als Beigeordneter der Gemeinde durchaus mit seinem Amt als Landesvorsitzender des BdV verbindet. In seinem Büro stehen Bücher über Donaudeutsche, durch seine Vermittlung wurde die Ausstellung „Deutsche aus Russland“ im Juni im Rathaus gezeigt, und in der Zeitschrift „Donaudeutsche Nachrichten“ wurde über ihn berichtet. Meyer besitzt eine Tracht der Donaudeutschen, die von seinem Urgroßvater stammt. Er zieht sie aber nicht an, auch „weil ich nicht weiß, ob sie mir noch passt“. Eine engere Verbindung hat er zu den kulinarischen Spezialitäten aus der Heimat seiner Großeltern. Wenn er kocht, dann gibt es Langosch, Strudel, Marillen- oder Pflaumenknödel „nach den Rezepten von der Oma“.

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