Neustadt Spitze auf der Spitze

Der Schuh passt: Der Prinz (Dansaran Vandanov, links) findet sein Aschenputtel (Nadezhda Illarionova). Da können die böse Stiefm
Der Schuh passt: Der Prinz (Dansaran Vandanov, links) findet sein Aschenputtel (Nadezhda Illarionova). Da können die böse Stiefmutter und die Stiefschwestern (rechts) nur bedröppelt zuschauen.

«Neustadt». Eine märchenhaft stimmige Aufführung mit hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern präsentierte das „Klassische Moskauer Ballett“ am Donnerstagabend mit „Cinderella“ im Saalbau und tanzte sich damit in die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Beim Happy End für das „Aschenputtel“ waren Taschentücher fällig.

Der Saal liegt in tiefer Dunkelheit. Hinter dem geschlossenem Vorhang sind leise Schritte zu hören – und die ersten Klänge des sowjetischen Komponisten Sergej Prokofjew, der mit kriegsbedingten Unterbrechungen mehrere Jahre an der Ballettmusik für „Cinderella“ arbeitete, bis sie 1945 in Moskau uraufgeführt wurde. Als sich der Vorhang dann öffnet, gibt er den Blick frei auf zwei kokettierende, streitende Tänzerinnen in glitzernden Kleidern. Im Hintergrund wischt ein weiteres Mädchen in schlichter Kleidung den Boden und schrubbt klirrend Töpfe im Takt der Musik. Es ist Cinderella (Nadezhda Illarionova), die von ihren boshaften Stiefschwestern (Evgenija Krechetova und Vera Tkachenko) zunächst im selbstverliebten Spitzentanz ignoriert, dann aber im Galopp gejagt, geärgert und gestoßen wird. Die böse Stiefmutter (Anna Rudik) stellt in geschickter, tänzerischer Symbolik die Zusammengehörigkeit mit ihren beiden Töchtern zur Schau. Alle drei Frauen tanzen synchron, umhüllt von einem einzigen, großen Schal, vor Cinderella durch den Raum. Die ausgegrenzte Tochter bemüht sich, wenigstens vom leiblichen Vater (Ivan Matvijchuk) Hilfe zu erhalten, geht vor ihm in die Knie, übernimmt verbindend einige seiner Tanzschritte, auf dass er ihren Bitten nicht mehr ausweichen möge und erfährt doch keine Unterstützung. Die Aufführung muss ohne Worte auskommen. So hängt ihr Genuss für den Zuschauer nicht nur von den perfekten Ausführungen der tänzerischen Elemente, wie Schreittänzen, Walzereinlagen, Rundtänzen oder dem ausgiebig zelebrierten, exzellenten Spitzentanz, sondern vielfach auch den Feinheiten in Körperhaltung und Gesichtsausdruck ab. Für Choreografie, Bühnenbild und Kostüme zeichnete Anna Ivanova verantwortlich, eine frühere Primaballerina des renommierten Bolschoj-Balletts. Inhaltlich folgt die Aufführung der französischen Version des Märchens von Charles Perrault aus dem 17. Jahrhundert, wo Cinderella ihr Kleid für den Ball des Königs von einer anmutigen Patin aus dem Feenreich (Viktoria Nazarenko) erhält und von den Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterfeen (Maria Snigireva, Nikol Fedorov, Elena Zerkowska und Alexandra Kozhevnikova) in farblich den Jahreszeiten angepassten Kleidern mit funkelnden Diademen begleitet wird. Klar dass die Heldin dank ihrer Tanzkünste und ihres Aussehens rasch den Prinzen (Dansaran Vandanov) kennen lernt und sich in ihn verliebt. Nuanciert und elegant tanzen Cinderella und ihr Prinz in den Lichtspielen der Bühne ein erstes Mal den Pas de deux, während sich Cinderellas aufdringliche Verwandtschaft blamiert. Auch dieser Part gelingt dem Ensemble tänzerisch perfekt mit humorig tölpelhaftem Gewatschel und Beinahestürzen. Um Mitternacht ist der Zauber allerdings vorbei. Cinderella verliert bei ihrer Flucht einen funkelnden Schuh. Mit ihm macht sich der Prinz auf die Suche. Endlich gefunden, sinken sie sich in die Arme. Minutenlang applaudiert das begeisterte Publikum. Unter Bravorufen kommen Cinderella und ihr Prinz schließlich noch einmal vor den Vorhang und verabschieden sich mit strahlenden Gesichtern und Handküssen in die Menge.

x