Neustadt Schneetreiben und Geisterstunde

«Neustadt». Ein paar mehr Zuhörer hätten am Freitag im Gewölbekeller des Steinhäuser Hofs noch gut Platz gefunden. Doch wer da war, erlebte beim Neustadter Jazzclub einen Abend mit Interpreten der Spitzenklasse. Das „Trio Klangcraft“ begeisterte mit Einfallsreichtum, technischen Präzision und einer mitreißenden Spielfreude, die dem Publikum nach viel Beifall noch ein paar Zugaben bescherte.

Schon von den ersten Takten an sind die Besucher ganz Ohr und lassen sich von den Rhythmen des Trios umschmeicheln. „Im Blindflug“ heißt der erste Titel. Er ist Teil der neuen CD, die „Klangcraft“ bei diesem Konzert vorstellt, und bietet auch die erste Möglichkeit, sich mit der Fingerfertigkeit von Manuel Seng am Piano vertraut zu machen, die sich im Laufe des Abends noch steigern wird. Mit noch verhaltenen Akzenten setzt Moritz Grenzmann mit dem Bass Schwerpunkte, Hermann Kock steigt mit dem Schlagzeug ein und liefert sich mit Begeisterung ein erstes Duell mit dem Piano. Aus dem Publikum kommt Beifall und ein erstes „Wow“. „Tolles Ambiente hier, tolle Akustik“, findet auch Hermann Kock. Der klassisch ausgebildete Schlagzeuger gilt als einer der besten und bekanntesten Deutschlands. Mit Moritz Grenzmann aus Albersweiler, mit seinem unverwechselbaren Spiel mit Akkorden und Tappings einer der begabtesten deutschen Bassisten, musiziert er seit zehn Jahren zusammen, und auch Manuel Seng, unter anderem mit dem Ibach-Preis ausgezeichnet, ist gleichermaßen in Klassik und Jazz bewandert – alle drei haben an der Musikhochschule Mainz studiert oder unterrichten dort. Mit ein paar kleinen Finessen überrascht das Trio in seinem nächsten Stück, „Under Water“ aus der gleichnamigen CD. Es beginnt verhalten, und Seng mischt in die Klänge des großen Pianos hauchfeine Töne eines Toy-Pianos wie das Läuten eines gläsernen Glöckchens. Doch der Anfang täuscht, „Under Water“ ist wesentlich mehr los. Das Schlagzeug, teilweise entfernt an orientalische Klänge angelehnt, erinnert an blubbernde Blasen, die an die Oberfläche dringen. Der Bass scheint tief im Grund zu wühlen und legt als Grundstimmung eine ruhige Schwere über das Stück, die sich kurz darauf wie von einem Strudel erfasst in einem Wirbel von Klängen Bahn bricht. Ein letztes Aufbäumen des Schlagzeugs setzt den Schlusspunkt unter den Spuk dieser Geisterstunde unter Wasser. Ganz zart beginnt im Gegensatz dazu eine Komposition von Moritz Grenzmann, „Dancing with a Snowflake“. Da beschreiben Schlagzeug und die beiden Klaviere einen vom Fallen der Schneeflocke vorgegebenen Tanz. Sie verfolgt keine gerade Linie, sie taumelt mit der Melodie, wird hin- und hergeweht, stockt in der Bewegung. Die Musik entwickelt sich zu einem meditativen, selbstvergessenen Reigen, einem Treibenlassen, das der Bass raffiniert unterstreicht. Eine Hauptrolle spielt der Bass auch in „Follow“. Hier verführt das Toy-Piano zum Träumen, was Kock am Schlagzeug wie mit einem Windhauch unterstreicht. Bald schon aber steigern sich Piano und Bass in einen Rausch, der ganz zart wieder ausklingt, bevor das Trio mit „Mr. Bifteki“ eine Komposition im Elf-Achtel-Takt anstimmt, in der wie ein Hauch andeutungsweise Fetzen von Stücken wie „Scarborough Fair“, Gospelsongs oder Tänzen auftauchen und vorüberfliegen. Eher an einen Traum erinnert „7 Years“ von Seng, während „Heftige Unwucht“ von Grenzmann mit verschiedenen Rhythmen und Brüchen in der Taktierung spielt. Das Lied ist ein atemberaubender Mix auch aus verschiedenen Stil- und Musikrichtungen vom Kinderlied bis zu südamerikanischen Rhythmen, bei dem die Musiker sich noch einmal voll ausleben, und in dem vor allem der Bassist einmal mehr mit der ganzen Bandbreite seiner Techniken glänzen kann, so wie zuvor Hermann Kock mit einem selbst komponierten Werk für Schlagzeug mit afrikanischen Rhythmen begeisterte.

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