Neustadt Schaut her, wir gehören doch zusammen

Anthropomorphe Holzskulptur von Willie Hoffelder vor einem Stillleben von Wolfgang Bachtler.
Anthropomorphe Holzskulptur von Willie Hoffelder vor einem Stillleben von Wolfgang Bachtler.

«Neustadt». Hambach ist Druckgrafik, Haardt Fotografie und Lachen-Speyerdorf natürlich Bronzeguss – was zunächst recht bizarr klingt, erklärt sich, wenn man weiß, dass Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel heute Abend zum Auftakt der Feierlichkeiten zu „50 Jahre kreisfreie Stadt“ in der Villa Böhm eine Ausstellung eröffnet, die Werke von jeweils exakt einer Künstlerin oder einem Künstler aus jedem der neun Neustadter Weindörfer präsentiert. Eine originelle Idee, die Zusammengehörigkeit demonstrieren soll, aber auch vom künstlerischen Ergebnis her überzeugt.

Halten wir zunächst einmal fest: Es ist die bildende Kunst, nicht die Musik, der Sport, die Gastronomie oder die lokale Wirtschaft, die ausersehen wurde, beim Startschuss zum Jubiläum der Neustadter Kreisfreiheit als Bannerträgerin zu fungieren – ein schöner Zug und vielleicht auch eine kleine Reminiszenz an das Amt des Kulturdezernenten, das Weigel von 2009 bis 2014 inne hatte. Erinnert wird mit den Feierlichkeiten aber natürlich auch an die schrittweise Eingemeindung der umliegenden Dörfer vor rund 50 Jahren. Und die fühlen sich bis heute manchmal ein bisschen hintangesetzt – gerade im Bereich der Kultur. So ist es wohl auch ein wenig als Versöhnungsgeste gedacht, dass jetzt für diese Schau ausschließlich Künstlerinnen und Künstler aus den Weindörfern ausgewählt wurden – auch wenn einzelne von denen vielleicht bis vor noch gar nicht so langer Zeit in der Kernstadt oder ganz woanders gewohnt haben. Die Auswahl jedenfalls wurde auf Vorschläge der Ortsvorsteher und des Kunstvereins hin vom Sachgebiet 113 (Gremien und Veranstaltungen) der Stadtverwaltung getroffen. Die Anfrage sei überall auf reges Interesse gestoßen und die Akquirierung durchweg schnell abgeschlossen gewesen, berichten die Mitarbeiterinnen Anna Pirrong und Ann-Kathrin Zillig, die für die Organisation zuständig waren. Bei etlichen der Eingeladenen kann man ohne weiteres postulieren, dass die Wahl wohl nicht schwer gefallen sein kann: Der Bildhauer Bernhard Mathäss, der die Ausstellungsbesucher schon mit drei Sandsteinskulpturen im Außenbereich empfängt und im Inneren darüber hinaus noch mehrere der für ihn typischen Betonplastiken mit martialischen Metallapplikationen zeigt, war für Duttweiler wohl ebenso gesetzt wie sein großer Kollege Gernot Rumpf, der den Hauptsalon und ein Nebenkabinett mit seinen verspielten Tieren und Fabelwesen in Bronzegusstechnik bevölkert, für Lachen-Speyerdorf. Auch in Geinsheim dürfte man sich vermutlich recht leicht auf Willie Hoffelder geeinigt haben, der mit seinen charakteristischen Fundholzskulpturen längst zu den markantesten Künstlern in Neustadt gehört. Da Wolfgang Hey mit seinen farbenfrohen, abstrakten Acrylgemälden für Mußbach eingeladen wurde, kommt es nun zu dem kuriosen Umstand, dass er und Hoffelder binnen zwei Tagen gleich zwei Ausstellungen in Neustadt (mit-)eröffnen können – denn am Sonntag startet ja im Herrenhof eine große Doppelausstellung der beiden (wir berichteten). Viele alte Bekannte also? Ja, durchaus, aber nicht nur! Die größte Neuentdeckung für Neustadt ist in der Villa Böhm sicher der Fotokünstler Emanuel Raab, der schon seit elf Jahren in Haardt lebt, hier aber bislang noch nie in Erscheinung getreten ist – er stellt eher in der Schirn in Frankfurt, dem ZKM in Karlsruhe oder dem Hackmuseum in Ludwigshafen aus. Bekannter bei uns ist vielleicht seine Ehefrau Josefine, Mitbegründerin des im Haardter Schloss beheimateten Fotoprojekts „Gute Aussichten“. Raab, seit 2001 Professor für Fotografie und Bildmedien an der Fachhochschule Bielefeld, zeigt bei seiner Neustadt-Premiere jetzt sechs Arbeiten aus seiner Serie „Winterwald“, zarte, filigrane, fast monochrome Aufnahmen, in denen sich ein eigentlich vertrauter Naturraum so verdichtet, dass er einem wie verzaubert vorkommt. Die mit Mittelformat-Kamera aufgenommenen Fotografien transformieren die Realität durch ihre Ausschnitthaftigkeit und erinnern mit den feingliedrigen Linien von Zweigen und Ästen fast an Zeichnungen. Eine weitere in unserem Beritt bislang noch wenig bekannte Künstlerin ist Meike Steger, im Hauptberuf Ergotherapeutin und mit 32 die Jüngste unter den neun Künstlern in der Schau. Sie vertritt Gimmeldingen und wurde vom Kunstverein vorgeschlagen, dem sie schon von der Junge-Künstler-Ausstellung 2018 und der aktuellen Saalbau-Hängung her bekannt war. Im Ost-Salon der Villa zeigt sie nun mehrere Beispiele ihrer „Fluid-Art“, farbenfrohe, abstrakte Acrylgemälde, die entstehen, indem verdünnte Acrylfarbe auf Leinwand gegossen, bewegt und eventuell noch mit anderen Hilfsmitteln, etwa Bunsenbrenner, behandelt wird. Das Ergebnis ist immer ein bisschen unvorhersehbar, aber stets dekorativ. Hambach und Diedesfeld sind dann wieder mit zwei Altmeistern im Boot, der Grafikerin Rosel Anton mit Aquatinta und Farbradierungen und Wolfgang Bachtler mit mehreren Stillleben mit Blumen und Schüsseln auf kunstvoll drapierten Tischdecken. Königsbach schließlich schickt Kim-Britt Eigenberger ins Rennen, ein aufsteigender Stern am Pfälzer Kunsthimmel, die im Hauptsalon einer ihrer abstrakten Gitter-Mischtechniken einen vielfach vergrößerten fotografischen Ausschnitt genau des gleichen Bildes gegenüberstellt. Die Ausstellung Die Ausstellung „Neun Weindörfer – Kunst mal neun“ wird heute, Freitag, um 18 Uhr in der Villa Böhm eröffnet. Sie läuft bis 7. April. Öffnungszeiten: donnerstags und freitags 15-18 Uhr, samstags und sonntags 11–13 Uhr und 15–18 Uhr. Eintritt ist frei.

Eisen-Beton-Plastik „Festung“ von Bernhard Mathäss vor Fluid-Art-Gemälde von Meike Steger.
Eisen-Beton-Plastik »Festung« von Bernhard Mathäss vor Fluid-Art-Gemälde von Meike Steger.
Gernot Rumpfs Bronzeplastik „Römische Wölfin“ vor Mischtechnik von Kim-Britt Eigenberger.
Gernot Rumpfs Bronzeplastik »Römische Wölfin« vor Mischtechnik von Kim-Britt Eigenberger.
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