Neustadt Orgelbank und Opernbühne

Stephan Wehr stammt aus einer alteingesessenen Haßlocher Familie und kommt immer wieder gerne auf Besuch ins Elternhaus – doch a
Stephan Wehr stammt aus einer alteingesessenen Haßlocher Familie und kommt immer wieder gerne auf Besuch ins Elternhaus – doch als Leiter der »Rheinischen Opernakademie« wirkt er heute vor allem in Köln.

«Hassloch». Zum zweiten Mal schon hat ihn die rührige „Haßlocher Turm-Initiative“ eingeladen, ein Benefizkonzert zugunsten der aufwendigen Restaurierungsmaßnahmen des Christuskirchenturms zu gestalten. Und wie schon 2012 wird Stephan E. Wehr, Organist, Pianist, Dirigent und nicht zuletzt Professor an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, am Sonntag mit Freuden Platz nehmen am Spieltisch der Winterhalter-Orgel.

Denn das ist für Wehr gleichsam ein Heimspiel: Geboren 1963, wuchs er in Haßloch auf und machte schon als Schüler des Neustadter Kurfürst-Ruprecht-Gymnasiums und später des Speyerer Kaiserdom-Gymnasiums regelmäßig als Tastenkünstler von sich Reden. Wenn er zum Beispiel trophäengeschmückt vom Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ zurückkam. 1983 war’s etwa ein erster Preis im Fach Orgelimprovisation. Unterrichtet und „in die Spur gesetzt“ hatte ihn der damalige Speyerer Domorganist Leo Krämer, die Eltern wiederum – selbst keine Musiker, sondern Inhaber eines traditionsreichen Frisör-Salons in der Haßlocher Füllergasse, aber kunstsinnig, aufgeschlossen und fest verankert in der katholischen Kirchengemeinde – unterstützten, bestärkten und beflügelten die Ambitionen des jüngsten ihrer vier Söhne. Das betont Stephan Wehr im Gespräch nachdrücklich. Im Kirchenmusikstudium an der Musikhochschule Köln landete der junge Erstsemestrige dann gleich bei Michael Schneider, damals der angesehenste unter den professoralen Orgel-Koryphäen in Deutschland. „Was ich von dieser beeindruckenden Persönlichkeit in sieben Jahren gelernt habe, geht weit über instrumentale Fertigkeiten hinaus; es war vielmehr die Haltung zur Musik“, schwärmt Wehr noch heute. Schneider war es auch, der ihn bestärkte, sein Studium in Richtung Dirigieren zu erweitern, überhaupt: die Flügel auszuspannen. Mit dem Preis des „Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie“ und einem Stipendium des Deutschen Akademischen Auslanddienstes (DAAD) machte sich Wehr 1991 auf nach Österreich. In Wien nahm der Kirchenmusiker auf der Orgelbank des Stephansdoms (!) an der Seite des weiland hochpopulären Peter Planyavsky Platz, in Salzburg setzte er seine Dirigierstudien bei keinem Geringeren als Michael Gielen fort. Das kam den sprichwörtlichen „höheren Weihen“ schon sehr nahe. Die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf nahm ihn darum sofort nach den Examina mit Kusshand als Solorepetitor unter Vertrag. „Einstieg gleich mit einer Hammerproduktion“, lacht er: „Richard Strauss – Salome“. Daran schlossen sich in rascher Folge Kapellmeisterverpflichtungen am Theater Hagen und schließlich ein Festengagement als musikalischer Oberleiter (vergleichbar einem GMD) am Theater in Frankfurt/Oder an. „Ich hatte dort ein A-Orchester zur Verfügung und wir haben wunderbare Produktionen gemacht. Dann wurde das Theater abgewickelt, Schicksal so mancher Kultureinrichtung in der ehemaligen DDR, und mit Verdis ,Rigoletto’ fiel 1997 der letzte Vorhang.“ Das bedeutete erst mal: Arbeitslosigkeit. Die Familie – Wehr war damals schon verheiratet, hatte zwei Kinder – musste erst mal kleinere Brötchen backen. Ehefrau Sabine verdiente mit, einzelne Gastdirigate und schließlich eine Agentur-Anfrage zur Produktion der frühklassischen Oper „Alceste“ von Anton Schweitzer beim Label „Naxos“ – bis heute vielbeachtet – ermutigten. Es würde weitergehen. Dann klappte es zur Jahrtausendwende mit einer hauptamtlichen Stelle an der Kölner Musikhochschule. Sechs Jahre später schließlich wurde Wehr zum Professor und musikalischen Leiter der heutigen „Rheinischen Opernakademie“ berufen. Dahinter steht ein Konstrukt von Kooperationen mit den Theatern Bonn, Aachen, Gelsenkirchen, Wuppertal, Mönchengladbach und natürlich Köln, mit denen die Musikhochschule immer wieder gemeinsame Opern-Projekte auf den Weg schickt. „Wir wollen, dass unsere Studenten schon vor dem Examen Fuß fassen im Berufsleben“, begründet das der Prof einleuchtend. Und listet begeistert auf, was zwischen Mozart, Donizetti, Ernst Krenék, Wolfgang Rihm und Richard Strauss so alles auf die Bühne kam. Eingerichtet hat er zudem einen Masterstudiengang Opernkorrepetition, das ein Theaterpraktikum einschließt. Kein Freund allzu schneller Abschlüsse sei er, bekennt Stephan Wehr. „Instrumental, technisch ist mancher schon ganz jung ziemlich perfekt. Aber Stimmen, und vor allem die Persönlichkeit brauchen etwas Zeit zur Reife.“ Die Orgel hat Wehr in all der Zeit aber nie ganz verlassen. Auch als Pianist ist er nach wie vor unterwegs, zum Teil mit Partnern in Kammermusik-Formationen. „Das ist wie Abtauchen, ein Stück Ausgleich zum Lehr- und Opernbetrieb.“ Fürs Haßlocher Konzert hat er nun – ganz im Sinne des „in tempore“-Musizierens – ein pfingstliches Programm kreiert, das jeweils abwechselnd ein traditionelles mit einem zeitgenössischen Werk rund um die altkirchliche „Veni-creator-spiritus“-Liturgie konfrontiert. So begegnen Harald Genzmer, Petr Eben und Hermann Schroeder den Barockmeistern Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach, mit dessen Präludium und Fuge D-Dur (BWV 532) der Abend schließt. Termin Das 28. Benefizkonzert der „Haßlocher Turm-Initiative mit Stephan Wehr findet am Sonntag, 27. Mai, um 17 Uhr in der Haßlocher Christuskirche statt. Der Eintritt ist frei. Spenden kommen der Initiative zugute, die sich seit ihrer Gründung 2007 um die Sanierung des denkmalgeschützten Turms der Christuskirche bemüht.

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