Neustadt Neustadter schreibt UN-Resolution

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Politik? Nein danke, zu kompliziert, zu umständlich und zu träge. Diese Meinung herrscht bei vielen jungen Menschen. Der 21-jährige Neustadter Julio Pires dagegen findet Politik spannend. Bestätigt wurde seine Meinung durch einen Aufenthalt bei der UN in New York.

Begegnungen mit anderen Studenten, Botschaftern und Politkern beim internationalen studentischen Simulationsprojekt „National Model United Nations“ zeigten ihm, wie politische Entscheidungen getroffen werden. Der Jura-Student war mittendrin im Zentrum der weltweit größten politischen Organisation. Über 2500 Studenten aus fast allen Ländern bereiteten sich ein Jahr lang an ihren Heimat-Universitäten auf die Debatten zu internationalen Problemen vor. Diese sollten als Simulation in New York von den Nachwuchspolitikern durchgespielt werden, um später auch in den tatsächlichen Sitzungen der UN eine Rolle zu spielen. Pires studiert im vierten Semester Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort bewarb er sich im vergangenen Frühjahr und bestand den zweistufigen Auswahltest. Von 120 Bewerbern blieben 18 Teilnehmer übrig. Sie erhielten in Seminaren das Rüstzeug für den Auftritt auf der großen politischen Bühne. Neben dem Ausbau der Englischkenntnisse ging es auch um diplomatische Etikette. „Für die Simulationen gab es eine strikte Kleiderordnung – Anzug, Krawatte oder Fliege und mindestens knielange Kleidung“, erklärt Pires. Viel wichtiger als Äußerlichkeiten waren die Sachkenntnisse. Zunächst wurde den Delegierten eine Nation zugeordnet, deren Standpunkt sie vertraten. Die Münchner Studenten waren in der Fiktion schließlich für Weißrussland zuständig. Pires und sein Mitstreiter David Nawrath sollten zum Thema „Tödliche autonome Waffensysteme“, den sogenannten „Killer Robots“, mit den anderen „Abgeordneten“ eine UN-Resolution entwickeln. Diese Waffen sind eine technische Weiterentwicklung der Drohnen und können, wenn sie einmal gestartet sind, vollkommen selbstständig ihre zerstörende Gewalt entfalten. Bei einem Vorbereitungswochenende in Berlin kam es auch zu einem Treffen mit dem weißrussischen Botschafter. „Über dieses Land ist bei uns noch relativ wenig bekannt. So wird es oft als die letzte Diktatur in Europa bezeichnet“, erzählt Pires. Den Botschafter fand er indes „sehr sympathisch, offen und konstruktiv“. In New York wurden die Konferenzen in großen Sälen der Hotels Sheraton und Hilton durchgeführt. Hier erfuhr Pires am eigenen Leibe, wie mühsam die Suche nach Kompromissen und Zustimmung ist. Auch wenn sich die jungen Studenten grundsätzlich einig waren, dass diese „Killer Robots“ geächtet und weder weiter entwickelt, noch jemals eingesetzt werden sollten, ging es noch um viele Feinheiten. „Es war wichtig, Kompetenzen abzugeben und sich an Standpunkte anzunähern“, sagt Pires. Dazu gab es lange Gespräche über die offizielle „Arbeitszeit“ hinaus. Am Ende erhielt der Neustadter ein dickes Lob von der Nichtregierungsorganisation „Internationales Komitee für Roboter Waffenkontrolle“. Dort hat man die Definition, die von den Junior-Politikern ausgearbeitet wurde, auf der Homepage übernommen. Abschließend folgte ein Besuch im realen UN-Hauptquartier. Dort wurden die ausgearbeiteten Resolutionen verabschiedet. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon empfing die Studenten. Pires weiß jetzt, warum es so lange in politischen Gremien dauert, bis sich etwas bewegt: „Die Politiker sind Getriebene ihrer Nation. Es braucht Zeit, bis man bei so vielen Nationen einen Konsens findet.“ Pires sowie sein Komitee-Partner David Nawrath wurden von den anderen 150 Teilnehmern in der Generalversammlung als bestes Duo mit dem „Peer-Award“ ausgezeichnet. Der ehemalige Schüler des Kurfürst-Ruprecht-Gymnasiums traf während der Vorbereitungsseminare in Berlin auch zufällig auf zwei weitere Neustadter. Die ehemaligen Schulkameraden seines Abschlussjahrgangs, Martin Catarata und Katja Müller, haben mit ihrer Trierer Universität an dem Projekt ebenfalls erfolgreich teilgenommen und arbeiteten bei der zweiten Runde der UN-Simulation in New York mit. (kle)

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