Neustadt Neustadt: Uni übernimmt NS-Projekt

Die Villa Böhm, heute Stadtmuseum, einst Dienstsitz von Gauleiter Bürckel.
Die Villa Böhm, heute Stadtmuseum, einst Dienstsitz von Gauleiter Bürckel.

Das Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus kann starten. Die Federführung übernimmt die Uni Mainz.

Es war ein etliche Jahre dauernder Prozess, der dazu führte, dass die Geschichte der Stadt Neustadt in der Zeit des Nationalsozialismus jetzt noch einmal in den Fokus der wissenschaftlichen Forschung gerückt wird. Am Anfang standen offene Fragen einiger Studenten der Universität Mainz, die sich mit dem pfälzischen Gauleiter Josef Bürckel befasst und festgestellt hatten, dass die Forschung darüber lückenhaft ist. Daraus entstand 2014 die Bürckel-Tagung im Saalbau, die wiederum die Frage nach einer fundierten Geschichte der Stadt im Nationalsozialismus aufwarf. Drei Jahre später ist es nun soweit: Das Projekt kann starten. Sowohl die wissenschaftliche Leitung als auch die Finanzierung sind gesichert. Leiter wird Markus Raasch, Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Michael Kißener an der Universität Mainz, die Kosten übernimmt die Stadt Neustadt. Das Projekt ist also ein Drittmittelprojekt der Universität Mainz, die Verträge sind bereits unterzeichnet. Zur Verfügung stehen knapp 150.000 Euro, wie Bürgermeister Ingo Röthlingshöfer erklärte. Geplant ist eine wissenschaftlich fundierte, aber auch gut lesbare Publikation, die die Rolle Neustadts zwischen 1933 und 1945 beleuchtet, als die Stadt als Sitz der Gauleitung und mehrerer Gestapo-Stellen eine besondere Rolle im regionalen Machtgefüge der Nationalsozialisten einnahm. Im Detail stehe das Konzept noch nicht fest, sagte Kißener, der Vertragspartner von Seiten der Universität ist. Fest stehe, dass die Quellen, darunter das Stadtarchiv sowie Bestände des Landes- und Bundesarchivs und der früheren Besatzungsmacht, systematisch erschlossen werden sollen. Darüber hinaus sollen Zeitungen ausgewertet werden, und es wird einen Zeitzeugenaufruf geben. „Ein Thema wird die Jugend im Nationalsozialismus sein“, erklärte Kißener. Die Forschung fängt nicht bei Null an. Zu einigen Themen gibt es bereits Aufsätze ausgewiesener Kenner der Materie, darunter beispielsweise ein Aufsatz des Speyerer Historikers Hans Fenske über Gauleiter Joseph Bürckel oder ein 2012 erschienener Aufsatz von Hans Kirsch über die pfälzische Gestapo. Über Unterdrückung, Verfolgung und Vernichtung der Neustadter Juden gibt es mehrere Beiträge, unter anderem von Gerhard Wunder und Hannes Ziegler. Was bisher fehlt, ist eine Gesamtschau sowie eine systematische Auswertung der Quellen. Potenzielle Mitarbeiter, die von der Stadt Neustadt bereits im vergangenen Jahr angesprochen worden waren, sind bereits darüber informiert worden, dass die Suche nach einem Projektkoordinator jetzt erfolgreich war. Vorarbeiten wurden bereits von einem Historiker aus Bad Dürkheim, Stefan Jamin, geleistet, der seit Februar 2016 im Neustadter Stadtarchiv Zeitungen aus der Zeit zwischen 1925 und 1950 sichtet und die Artikel verschlagwortet. Kißener kündigte außerdem an, dass ein Mitarbeiter seines Lehrstuhls, Vaios Kalogrias, zu Beginn des Projektes Recherchevorarbeiten für das gesamte Projekt in Archiven außerhalb der Region leisten werde, besonders im Archiv der französischen Besatzung im Pariser Vorort La Courneuve. Dadurch könnten Reisekosten gespart werden.

Im späteren Finanzamt in der Konrad-Adenauer-Straße war die Neustadter Gestapo-Zentrale untergebracht.
Im späteren Finanzamt in der Konrad-Adenauer-Straße war die Neustadter Gestapo-Zentrale untergebracht.
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