Neustadt Nach 22 Jahren schnappt die Falle zu

In ihrer Dokumentation „Anklage Mord – Der Fall Pagenstecher“ (hier eine Spielszene) behandelt Nicole Würth einen „Cold Case“, d
In ihrer Dokumentation »Anklage Mord – Der Fall Pagenstecher« (hier eine Spielszene) behandelt Nicole Würth einen »Cold Case«, der erst nach 22 Jahren aufgeklärt wurde: den 1986 begangenen brutalen Raubmord an einer reichen Witwe in Wiesbaden. Zu sehen ist der Film nächsten Samstag auf ZDFinfo.

Die aus Haßloch stammende Filmemacherin Nicole Würth hat sich auf Dokumentationen über Verbrechen für ARD und ZDF spezialisiert

Wie ein Kapitalverbrechen nach 22 Jahren doch noch aufgeklärt wird, zeigt der Film „Anklage Mord – Der Fall Pagenstecher“, der am kommenden Samstag auf ZDFinfo gesendet wird. Autorin und Regisseurin der Dokumentation ist die in Haßloch aufgewachsene Rechtsanwältin Nicole Würth, die sich auf die Produktion von Dokumentarfilmen insbesondere über Verbrechen spezialisiert hat. Rund 1000 Filmbeiträge vor allem für ARD und ZDF habe sie seit Mitte der 90er Jahre abgeliefert, sagt die 50-Jährige, teils Auftragsproduktionen, aber auch „eigene Babys“ – so wie den Film über den Mord an der wohlhabenden Witwe Traude Pagenstecher, die 1986 in Wiesbaden von Jork W. in ihrem Haus beraubt und niedergestochen worden war. Sie sei auf W. während ihrer zahlreichen Recherchebesuche in Gefängnissen gestoßen, nachdem sie ein Vollzugsbeamter auf diesen „Cold Case“, wie lange unaufgeklärte Kriminalfälle genannt werden, aufmerksam gemacht hatte.

"Höre abenteuerliche Geschichten"

W. habe sich zu Interviews bereiterklärt und ist einer der 30 Protagonisten der 45-minütigen Dokumentation, in der er einerseits zu Wort komme, ihm andererseits aber keine „Bühne“ geboten werde, wie Würth betont. „Mir war es wichtig darzustellen, wie ein Mörder 22 Jahre lang auf freiem Fuß unterwegs ist und was in ihm vorgeht, wenn nach so langer Zeit doch noch die Falle zuschnappt, weil die Ermittler nicht nachgelassen haben“, berichtet die Mainzer Filmemacherin. Dafür, dass sie sich für den „Fall Pagenstecher“ als Thema entschieden habe, sei letztlich auch die Bereitschaft des Täters ausschlaggebend gewesen, das Geschehen authentisch nachzuvollziehen: „Bei meinen zahlreichen Besuchen in Gefängnissen höre ich teils abenteuerliche Geschichten, die mit der Aktenlage so gar nichts zu tun haben“ , sagt Würth. Bei Jork W. sei das nicht so gewesen, außerdem sei der Fall an sich so hochspannend , dass er es Wert sei, erzählt zu werden, so die Autorin.

Zwei Jahre Recherche

Ein Handabdruck am Bett des Opfers war es gewesen, der W. schließlich doch noch überführt habe, erzählt Würth über die Festnahme des zuvor schon als Betrüger amtsbekannten Mannes, der seit 2008 als „Lebenslänglicher“ in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt einsitzt. Frühestens 2023 – also nach 15 Jahren Haft – können die Richter über seine vorzeitige Entlassung befinden. Rund zwei Jahre habe die Recherche zum Film gedauert, sagt Würth: Die Suche nach Interviewpartnern um den Fall herum, das Beschaffen von zeittypischen Requisiten – der Film deckt die Jahre von der Tat bis zur Festnahme W.s ab – aber auch viele Gespräche und die Prüfung der Persönlichkeitsrechte der im Film vorkommenden Figuren hätten viel Zeit in Anspruch genommen. Auch die Organisation sei nicht einfach gewesen, erinnert sich Würth an die insgesamt 16 Drehtage: Unter anderem werde W.s Kindheit nachgestellt – und der hatte acht Geschwister. „Allein um die neun Kinder vor die Kamera zu holen, habe ich 54 Unterschriften gebraucht“, berichtet Würth. Auch sei es gar nicht so einfach gewesen, beispielsweise einen Röhrenfernseher zu besorgen. Auf der Suche nach einer typischen Kittelschürze aus den 1950er Jahren sei sie dann in ihrer alten Heimat Haßloch fündig geworden, wo sie regelmäßig ihre Mutter besucht: „Die Nachbarn haben sie mir sofort für den Dreh gegeben und freuen sich schon darauf, dass Omas Schürze demnächst im Fernsehen zu sehen ist – Pfälzer sind eben einfach super“, sagt Würth.

"45 hoffentlich spannende Minuten"

Insgesamt rund 70 Stunden Kameramaterial seien bei der Arbeit mit Zeitzeugen – so komme unter anderem der einstige Ermittler des hessischen Landeskriminalamts und die frühere Haushaltshilfe des Opfers zu Wort –, Schauspielern und Statisten entstanden, aus denen sie „45 hoffentlich spannende Minuten fürs Fernsehen gemacht hat“, berichtet Würth. Darin wird gezeigt, wie es zu der brutalen Tat an einer Frau kommen konnte, die von ihrer Umwelt als hilfsbereit, herzlich und sozial engagiert beschrieben wird, wie die Schilderungen des Täters aus kriminalistischer Sicht einzuordnen sind und wie W., der heute sagt, er empfinde nur Verachtung für sich, mit seiner Schuld umgeht. Es sei „nur um das Scheißgeld“ gegangen, die schlimmen Bilder des Tattags hätten ihn die ganzen 22 Jahre über verfolgt, so W., der 2008 nach dem Hinweis einer Hotelbesitzerin in Bad Hersfeld festgenommen wurde. Zu Wort kommt aber auch ein psychiatrischer Sachverständiger, der sich mit den Themen Reue und Verdrängung beschäftigt und die These vertritt, W. hätte sich von den „bösen Bildern“ der Tat mit einem Geständnis lösen können: „Dafür hatte er schließlich 22 Jahre Zeit“, so der Wissenschaftler. Derzeit ist auch noch Würths Produktion „Knast in Deutschland“ im ZDF und ZDFinfo zu sehen. Aktuell arbeite sie an einer Dokumentation für die ARD über Abzocke in der Betreuung mit dem Arbeitstitel „Untreue Betreuer“ und einem Beitrag über multiresistente Krankenhauskeime für das Wirtschaftsmagazin „Plusminus“, sagt Würth. Termin „Anklage Mord – Der Fall Pagenstecher“ läuft am Samstag, 16. Februar, um 20.15 Uhr auf ZDFinfo.

Nicole Würth
Nicole Würth
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