Neustadt Musikfeuerwerk in 20 Teilen

«Neustadt». Darauf haben viele Neustadter Musikfreunde schon lange gewartet: Knapp anderthalb Jahre nach der Einweihung der neuen Stiftskirchenorgel des niederländischen Orgelbauers Bernhardt Edskes liegt nun die erste CD vor: Bezirkskantor Simon Reichert demonstriert darauf mit einem spannenden Spaziergang durch die Orgelmusik des 15. bis 18. Jahrhunderts das große Farbspektrum und Klangpotenzial des Instruments.

Die CD trägt den Titel „Ascendo ad patrem meum“ nach einem Stück des Renaissance-Komponisten und kurpfälzischen Hoforganisten Arnolt Schlick, der exakt 500 Jahre vor der Installation der Edskes-Orgel als Orgelsachverständiger des Kurfürsten in der Neustadter Stiftskirche ein Vorgängermodell der Edskes-Orgel aus der Werkstatt des Speyerers Hans Dinckel einweihte. Die zehnstimmige Himmelfahrtsequenz mit sensationellem vierstimmigen Pedal stellt den absoluten Höhepunkt organistischer Kunstfertigkeit dar und und erweist Reichert einmal mehr als Meister seines Fachs. Ganz nebenbei erfährt man aus dem von ihm sachkundig verfassten Booklet auch, dass von Schlick nicht nur das älteste Handbuch des Orgelbaus, sondern auch einer der ersten Drucke mit Musik für Tasteninstrumente überliefert ist. Vorbild der Neustadter Edskes-Orgel mit ihren zwei Manualen und Pedal sowie 20 Registern ist der norddeutsche Orgelbauer Arp Schnitger (1648-1719). Unter Kennern gilt er seit 300 Jahren sozusagen als Stradivari unter den Orgelbauern und wurde unter anderem von Johann Sebastian Bach hochgeschätzt. Aufgrund ihrer tieferen, an historischen Vorbilder orientierten Stimmungen empfiehlt sich die Neustadter Orgel ganz besonders für eine historisch informierte Aufführungspraxis, wie das jüngst über die Bühne gegangene Alte-Musik-Festival „Neustadter Herbst“ eindrucksvoll zeigte. „Vermutlich hätten Bach und Buxtehude an unserer neuen Orgel viel Freude gehabt“, schwärmt Reichert. Neben Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude, den beiden Hauptvertretern der von Norddeutschland geprägten protestantischen Orgelmusik, führt die musikalische Reise auch zur Begegnung mit weiteren Stücken aus der Renaissance, allen voran solchen des niederländischen Komponisten Jan Pieterszoon Sweelinck, der wie kein anderer Organist die Orgelkunst nachfolgender Generationen maßgeblich geprägt hat. Seine „Fantasia“ bildet den majestätischen Auftakt für das 20-teilige Orgelfeuerwerk und zeigt die besondere Stimmung der Edskes-Orgel mit ihren zwei reinen Terzen und sechs reinen Quinten in ihrer außergewöhnlichen Farbigkeit. Zu Sweelinck Schülern zählt der Hallenser Musikdirektor Samuel Scheidt. In dem Stück „Echo ad manuale duplex, forte et lene“ überrascht der Interpret mittels geradezu verblüffender Echowirkungen, die wie aus dem Kirchenschiff herausgelöst aus weiter Ferne zu erklingen scheinen. Der damalige Welthit „Innsbruck, ich muss dich lassen“ von Heinrich Issac schließt sich an. Überhaupt nehmen die um und nach 1500 entstandenen Bearbeitungen von Vokalmusiken einen großen Stellenwert auf der CD ein und bieten neben den virtuosen Stücken aufgrund der ruhig dahinschreitenden, fast meditativ wirkenden Darstellung Reicherts viel Raum zur Entspannung. Wenn von Arnolt Schlick die Rede ist, darf natürlich der in der Stiftkirche begrabene Zacharias Ursinus, der Verfasser des „Heidelberger Katechismus“, nicht unerwähnt bleiben. Um ihn kreist das bunte Sammelsurium an Orgelwerken, die vor und nach der Reformation entstanden sind und mit denen Simon Reichert den musikalischen Bezug zu Neustadt herstellt. Als Anfang und Ende aller Musik wird häufig Bach genannt. Der Altmeister wendet sich am Ende der CD mit vier Choralbearbeitungen zu Wort, überlässt das eigentliche Schlusswort aber seinem großen Vorbild Dietrich Buxtehude. Dessen Toccata in d-Moll ist war nicht ganz so bekannt geworden wie Bachs berühmte eigene Version, hat diesen aber offensichtlich inspiriert, wie Reichert abschließend in eindrucksvoll virtuoser Weise demonstriert. Aufgenommen wurde die CD, die professionellen tontechnischen Anforderungen entspricht, in vier aufeinander folgenden Nächten im Juli in der Stiftskirche (denn tagsüber wäre es wegen des Marktplatztreibens viel zu laut gewesen). Mit dem Verkaufserlös soll die Aktion „Schenken Sie ein Stück Himmel“ des Bau- und Fördervereins in der Stiftskirche unterstützt werden, der als nächstes Projekt die Sanierung der Deckenmalerei im südlichen Seitenschiff angehen will (wir berichteten). Wie Simon Reichert erklärt, wird die beim Label Paschen-Records erschienene Scheibe ab nächstem Jahr bundesweit im Fachhandel erhältlich sein. Für die Neustadter Musikfreunde gibt es die CD aber schon morgen, Donnerstag, ab 20.30 Uhr zum Preis von 20 Euro bei der Generalversammlung des Bau- und Fördervereins in der Stiftskirche sowie danach über dessen Vorsitzende Christiane Conrad (0172-7166171, info@stiftskirche-nw.de).

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