Neustadt „Mit Humor kann man alles verarbeiten“

Hipsterbart, Piercing und Anti-IS-Shirt: Firas Alshater entspricht äußerlich nicht gerade dem gängigen Bild eines Arabers und sp
Hipsterbart, Piercing und Anti-IS-Shirt: Firas Alshater entspricht äußerlich nicht gerade dem gängigen Bild eines Arabers und spielt gerne mit der Irritation, die bei manchen Beobachtern daraus entsteht. In seinem Buch »Ich komm auf Deutschland zu« schildert er seine Erlebnisse in seiner neuen Heimat, erinnert aber auch an das blutige Geschehen in Syrien.

«Neustadt». Der Syrer Firas Alshater wurde 2016 über Nacht zum Youtube-Star, weil er in seinen Videos Deutschland mit einer gehörigen Prise Humor aus der Sicht eines Flüchtlings schilderte. Im gleichen Jahr erschien auch sein Buch „Ich komm auf Deutschland zu“, in dem er seine mal witzigen, mal traurigen Erlebnisse in der neuen Heimat thematisierte. Dieses wird auch am Montag bei einer „interaktiven Lesung“ Alshaters mit Videos und Standup-Comedy in der Neustadter Stadtbücherei im Zentrum stehen. Holger Pöschl hat schon einmal vorab mit dem 26-Jährigen gesprochen.

Herr Alshater, haben Sie wirklich gleich nach Ihrer Ankunft in Berlin einem deutschen Rentner das Leben gerettet?

Ob das wirklich ein Rentner war, weiß ich gar nicht. Und ich war auch schon eine Weile da, als das passierte. Aber es war tatsächlich genau so, wie es im Buch steht: Der Mann war stockbesoffen und drohte im Landwehrkanal zu ertrinken. Da bin ich reingesprungen und habe ihm geholfen. Und die Polizei wollte mir danach gleich als erstes einen Strafzettel ausstellen, denn da war Baden verboten. Das ist nicht die einzige witzige Stelle in Ihrem Buch. Sie berichten darin aber auch, wie Sie in Syrien gefoltert wurden und was für Leid und Tod Sie gesehen haben – wie bewahrt man sich da denn den Humor? Es geht ja nicht anders. Sollte ich in Depressionen verfallen? Mit Humor kann man alles verarbeiten, sogar die schlimmsten Erlebnisse. Das ist mein Lebensprinzip. Dieses Prinzip prägt auch Ihre Zukar-Videos, mit denen Sie Anfang 2016 über Nacht zum Youtube-Star geworden sind. Was war im Rückblick das Geheimnis dieses Erfolgs? Auch der Humor! Denn das ganze Thema Flüchlinge wurde bis dahin immer nur sehr ernsthaft oder von manchen sogar mit Hass behandelt. Keiner hatte es mit Humor versucht. Außerdem wurde immer sehr viel über „die Flüchtlinge“ geredet, aber von ihnen selbst hörte man ziemlich wenig. Meine Videos haben das zumindest ein bisschen geändert. Sie erklären in Ihren Videos Deutschland und die Deutschen – wie sind die denn aus Ihrer Sicht so? Das kann ich eigentlich nicht beantworten. Ich kenne ja nicht alle 80 Millionen. Man sollte immer den einzelnen Menschen sehen ... Aber Sie schreiben in Ihrem Buch ja auch: „Die Deutschen lieben Papier, und sie lieben Schubladen“ ... Ja, das bezog sich aber auf die Bürokratie. Die erleben Flüchtlinge knallhart und leiden darunter. Die meisten Deutschen mögen sie auch nicht, aber sie haben es bis heute nicht geschafft, da was zu ändern. Eigentlich sollten sie aus der Geschichte doch etwas gelernt haben. Sie schreiben in Ihrem Buch auch, man fühle sich als Flüchtling „wie ein kriminelles Kleinkind auf Krätze“. Wie ist das zu verstehen? Das erklärt sich doch eigentlich von selbst. Man wird als Flüchtling sehr oft nicht gerade respektvoll behandelt. Es geht hier ja aber um Menschen, die nicht freiwillig ihre Heimat verlassen haben. Sie haben in einem Ihrer Videos auch das Thema „Deutsche Leitkultur“ satirisch aufgegriffen. Was soll, was kann ein Land von Einwanderern erwarten und was nicht? Was man von jedem Menschen erwartet. Natürlich müssen die Gesetze respektiert werden. Und man sollte auch versuchen, etwas von dem zurückzugeben, was man bekommen hat. Umgekehrt muss der Staat die Menschen aber auch schützen. Sie verwenden in Ihrem Buch ein sehr schönes Bild: „Der größte Kokon der Erde, die westliche Welt“. Verstehen die Menschen hier überhaupt, in was für einer privilegierten Lage sie sind? Nein. Sie konzentrieren sich viel zu sehr auf ihre Luxusprobleme. Natürlich ist auch hier nicht alles perfekt. Aber im Vergleich zu dem, was viele andere Menschen auf diesem Planeten erleben, ist das nichts. Sie beschreiben, wie Sie am Anfang in Berlin immer reflexartig zusammenzuckten, wenn Sie ein Flugzeug oder einen Hubschrauber wahrnahmen, weil die Erinnerungen an den Krieg hervorriefen. Haben Sie diese Traumata inzwischen verarbeiten können? Ja. Die ersten zwei Jahre waren schon eine schlimme Zeit. Aber inzwischen hat sich vieles gelegt. Beim Begriff Bürgerkriegsflüchtlinge, der für die Syrer in Deutschland häufig benutzt wird, schwingt ja die Idee mit: Wenn der Krieg vorbei ist, kehren sie zurück. Glauben Sie daran, dass das in absehbarer Zeit passieren wird? Wenn Sie das so meinen, dass der Krieg in Syrien bald zu Ende sein wird, dann glaube ich das nicht. Aber es kehren ja jetzt schon viele zurück - einfach, weil sie hier nicht zurechtkommen. In die Türkei zum Beispiel. Oft nehmen sie dann die gleiche Route über den Balkan und Griechenland, auf der sie gekommen sind. Bizarr. Termin Firas Alshater ist am Montag, 26. Februar, um 20 Uhr mit seinem Buch und Programm „Ich komm auf Deutschland zu“ auf Einladung des „Literarischen Forums“ in der Stadtbücherei Neustadt zu Gast. Karten (10 Euro) in der Buchhandlung Quodlibet (06321/88930). „Ich komm auf Deutschland zu. Ein Syrer über seine neue Heimat“ ist als Taschenbuch im Verlag Ullstein extra erschienen, hat 240 Seiten und kostet 14,99 Euro.

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