Neustadt Leichtathletik als Familienprojekt

Vater Gerd Berlin trainiert seine drei Töchter Johanna, Salome und Rebekka (von links) im Stabhochsprung.
Vater Gerd Berlin trainiert seine drei Töchter Johanna, Salome und Rebekka (von links) im Stabhochsprung.

«Hassloch.» Die Haßlocher Leichtathletinnen Salome und Rebekka Berlin sind, obwohl sie erst seit rund zehn Monaten Stabhochsprung intensiv trainieren, bereits in die deutschen Bestenliste ihrer Altersklassen gesprungen. „Wir sehen den Sport als gemeinsames Familienprojekt“, sagt Gerd Berlin. Er lebt mit seiner Frau und seinen vier Töchtern seit rund zehn Jahren in Haßloch.

Aufgewachsen sind seine Frau Astrid und er in der ehemaligen DDR. „Dort hatte Sport einen ganz anderen Stellenwert. Wir haben beide Leistungssport gemacht. Ich habe mich im Sport wohl gefühlt, aber meine Frau hat in der DDR unter dem damaligen Drill auch gelitten“, erzählt Berlin. Hier in Westdeutschland habe die Familie schnell festgestellt, dass Sport eher eine untergeordnete Rolle spiele. Seine Tochter Rebekka sagt: „Die Bundesjugendspiele in der Grundschule waren eher ein Grund, nicht in die Leichtathletik zu gehen. Das war schon abschreckend, weil man in der Schule nicht so viel dafür trainierte.“ So haben die vier Schwestern erst später gemerkt, dass Leichtathletik Spaß machen kann. Ausschlaggebend war ein gemeinsames Training im Winter 2016 mit ihrem Onkel Turalf Neumann, der beim SC Potsdam als Leichtathletiktrainer mit Schwerpunkt Stabhochsprung arbeitet. Geschlossen trat danach die ganze Familie dem LC Haßloch bei. Auch wenn Salome Berlin auf Anhieb eine schlimme Erfahrung bei ihren ersten Sprungversuchen gemacht hat: Sie brach sich damals den rechten Fuß. Daher kennt sie eine wichtige Regel im Stabhochsprung aus eigener Erfahrung: „Man darf nie auf den Füßen landen.“ Bereits 1999 hatten Gerd und Astrid Berlin Haßloch und die Pfalz kennen gelernt. Gerd absolvierte seine Ausbildung zum Apotheker in Haßloch, Astrid das Referendariat am Leibniz-Gymnasium in Neustadt. Doch dann ging es wieder zurück in die Heimat nach Meiningen/Thüringen. Als in Haßloch der ehemalige Chef von Gerd Berlin einen Nachfolger für seine Apotheke suchte, war klar: Die Familie zieht in die Pfalz. „Wir waren darüber sehr glücklich“, betont Berlin. Und Sport spielte sofort eine wichtige Rolle im Familienleben. Johanna, die älteste Tochter, wurde Volleyballspielerin. Die anderen drei Mädchen fingen mit dem Turnen an. Rebekka und Salome erhielten so bei Gerhard und Gisela Liedy die besten Grundlagen, um später mit der notwendigen Athletik, Kraft und Körperbeherrschung schon nach wenigen Monaten souverän die Latte beim Stabhochsprung zu überqueren. Auch heute absolvieren sie ein speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Turntraining einmal in der Woche bei Liedys. Zu Hause hat Berlin eine eigene kleine Turnhalle eingerichtet. Dort wird immer wieder mal mit Übungselementen am Reck das richtige „Aufrollen“, also der Übergang vom Absprung zum Strecken mit der Hüfte am Stab entlang, trainiert. Vater Gerd trainiert jetzt seine drei ältesten Töchter und zwei weitere Athleten im Verband mit weiteren Experten. Doch im Vordergrund stehen für ihn fast alle Disziplinen in der Leichtathletik. Er betont: „Stabhochsprung ist das Dach der Leichtathletik. Es ist gar keine so spezialisierte Sportart, wie man zunächst denkt.“ So beinhaltet der Sprung mit dem langen Stab die Bereiche Sprint, Sprung und sogar Wurf. Der Speerwurf ist mit der Spannung im Schultergelenk ebenfalls ein wichtiges Element. Zweimal im Monat geht es zusammen zum LAZ Zweibrücken. Dort feilt der ehemalige Bundestrainer Emil Kruber an der Technik der Mädels. In Haßloch trainiert der frühere Zehnkämpfer und Stabhochspringer Dietrich Roth mit den drei Geschwistern. Und immer donnerstags nutzen sie die Anlage im Stadion in Neustadt. „Die Stabhochsprunganlage in Haßloch ist nicht benutzbar. Die Matte ist zu klein, und daher ist es dort zu gefährlich. Das gesamte Stadion soll ja bis zum Herbst umfassend saniert werden“, hofft Gerd Berlin. Er ist dankbar, dass er jetzt in Neustadt „Asyl bekommen hat“. Die drei Mädchen machten in den vergangenen Monaten ihre eigenen Erfahrungen in luftiger Höhe. Salome erholte sich schnell vom Fußbruch. „Ich habe noch eine unsaubere Technik, ich muss mich mehr auf meinen Absprung konzentrieren und darf mich nicht so sehr in den Stab hängen“, weiß sie. Der Rest der Familie nickt. Der Einstich des Stabes und der Absprung ist die wichtigste Phase. Gelingt dies, klappt auch der Rest. Johanna, die zuerst als Volleyballspielerin erfolgreich war, wartet noch darauf, dass sie im Wettkampf zeigen kann, was sie drauf hat. „Im Training funktioniert es. Ich muss einfach umsetzen, was ich kann“, erklärt sie. Und Rebekka möchte noch am Aufrollen arbeiten, an der Phase nach dem Absprung. „Ich muss da noch stärker werden, um höher zu kommen“, erzählt sie. Zwischen den Dreien gibt es keine Rivalität, sie starten in unterschiedlichen Altersklassen. Sie feuern sich an und bejubeln gemeinsam neue Bestleistungen. Johanna sagt lächelnd zu ihrer jüngeren Schwester Rebekka: „Aber wir wollen schon sehen, dass wir an deine Leistungen heranspringen. Das spornt uns untereinander an.“ Und auch vor neuen Höhen haben sie keine Angst: „Wir hören auf unsere Trainer, nehmen dann einen härteren Stab. Wenn etwas schief läuft, brechen wir den Sprung rechtzeitig ab“, betont Johanna.

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