Ludwigshafen Jedes Los gewinnt

Für das elfte Konzert in einem Ludwigshafener Kultursommer in der Oggersheimer Notwende hat sich der Flötist Wolfgang Wendel etwas Besonderes ausgedacht. Unter dem Motto „Glücksspirale – Jedes Los gewinnt“ gab der bekannte Musiker im Hof der elterlichen Bäckerei ein Programm nach dem Zufallsprinzip.

50 Kompositionen, je zur Hälfte aus der klassischen und der populären Musik, hatten Wolfgang Wendel und die taiwanesische Pianistin Ya-Wen Chuang als Interpreten diesmal für die Reihe „Kultur in der Backstubb“ einstudiert. Das Programm wurde vom Publikum mittels Ziehung aus einer Lostrommel zusammengestellt, und die Zuhörer erlebten einen entspannt unterhaltsamen Abend. Eigentlich wollte Wolfgang Wendel in die Fußstapfen seines Vaters treten und Bäcker werden. Eine Allergie verhinderte das, so wurde er ein weltweit renommierter Flötist. Der zweite Sohn der Wendels wurde Bäcker, wanderte aber nach Taiwan aus, wo er eine gutgehende „German Bakery“ betreibt. Bei einem Konzert in der Wahlheimat seines Bruders lernte Wolfgang Wendel die Pianistin Ya-Wen Chuang kennen, mit der ihn seither eine enge künstlerische Zusammenarbeit verbindet. Ya-Wen Chuang ist eine in allen Stilarten versierte Musikerin, wovon man sich in der Notwende schon öfter überzeugen konnte. An diesem Abend war das zahlreich erschienene Publikum auch für die Programmgestaltung zuständig. Eine Trommel, in der sich mit Zahlen versehene Bälle befanden, wurde herumgegeben, und dann hieß es zweimal 6 aus 25. Der „klassische“ Teil begann gleich mit einem „Hit“, dem „Ave Maria“ von Charles Gounod, der etwas süßlichen Meditation über Bachs C-Dur-Präludium. Klug umgingen Wendel und Ya-Wen Chuang die drohende Sentimentalität und verliehen der Komposition viel Eleganz. Prächtige Virtuosität konnte Wendel in einer Fantasie von Paul Genin über Themen aus „La Traviata“ demonstrieren, graziös zelebrierten die beiden die Berceuse von Gabriel Fauré. Das Losglück bescherte Ya-Wen Chuang im ersten Teil Soloauftritte mit zwei Chopin-Walzern, dem mit sensibler Delikatesse vorgetragenen Satz „Oriental“ aus den „Danzas Españolas“ des spanischen Impressionisten Enrique Granados und dem tief empfundenen Adagio cantabile aus Beethovens „Pathétique-Sonate“ . Die Ziehung des zweiten Teils ergab klangvolle Pop-Balladen. Stimmungsvoll spielten die Musiker „Annie′s Song“ von John Denver, „Nights in White Satin“ von den Moody Blues und Cat Stevens′ „Morning has Broken“. Dazu zwei Lieder aus „West Side Story“ und Henry Mancinis Filmsong „Moon River“ sowie als flotten Gegenpart drei lateinamerikanische Tänze. Beide Konzerthälften beendete Wendel mit Stücken, die nicht gezogen worden waren, ihm aber am Herzen lagen: Im ersten Teil die virtuosen, alle im 19. Jahrhundert bekannten Spielmöglichkeiten der Flöte nutzenden Variationen über das Lied „Karneval in Venedig“ von Paul Genin, im zweiten die „Bourée“ von Jethro Tull, Ian Andersons Elemente von Klassik, Jazz und Rock verbindende Bach-Metamorphose, atemberaubend gespielt, sicher ein Höhepunkt. Mit instruktiven Einführungen und fein ironisch vorgetragenen Geschichten von Wilhelm Busch und F. C. Delius moderierte die Schauspielerin Karin Möller-Nüssle den Abend und überbrückte geschickt die Zeit, die die Interpreten für die Vorbereitung ihrer Darbietungen brauchten.

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