Neustadt Hommage an einen fast vergessenen Jubilar

Das Ensemble „Capricornus“ mit Posaunist Henning Wiegräbe (rechts) bot den Besuchern des Herrenhofs ein besonderes Osterkonzert.
Das Ensemble »Capricornus« mit Posaunist Henning Wiegräbe (rechts) bot den Besuchern des Herrenhofs ein besonderes Osterkonzert.

«Neustadt-Mussbach.» Seit einem runden Vierteljahrhundert schon pilgert jeweils am Ostersonntag eine stattliche Schar Musikbegeisterter Richtung Herrenhof. So auch an diesem unglaublich sommerschwangeren Nachmittag, den Henning Wiegräbe, Posaunist, Enkel des einstigen Herren im Hof und Spiritus Rektor des populären Divertissements, mit einem zusätzlichen Ausrufezeichen markiert hatte: Als Geburtstagsreferenz für einen heuer 300-Jährigen, dessen Wirken die Nachwelt, geblendet vom Genius des Sohns, notorisch ignoriert hat – Leopold Mozart.

Und dessen Werke in der exzellenten Wiedergabe durch das Ensemble „Capricornus“ doch so nachdrücklich für sich einnahmen. Er hatte es schwer am Salzburger Hof, der 1719 in Augsburg geborene Musiker Leopold Mozart; erklomm seine berufliche Karriere in kleinen, mühsamen Schritten und brachte es schließlich 1746 zum Vizekapellmeister und „Hof- und Kammercomponist“ des Erzbischofs. Dass er so nachdrücklich die Karriere seiner hochbegabten Kinder Nannerl und Wolfgang – übrigens zwei von sieben, die das Erwachsenenalter erreichten – beförderte, drängte sein eigenes kompositorisches Schaffen noch weiter ins Nirgendwo. Mit der Serenade D-Dur, eigentlich eher ein Konzert für Posaune und Streicher, und einem Trio aus dem Jahr 1760 machte sich „Capricornus“ auf dem Podium überaus beredt zum Anwalt der charmanten Tonsprache Leopold Mozarts, seines erfrischend musikantischen Zugriffs. „Capricornus“, das waren diesmal neben Henning Wiegräbe mit der engmensurierten Barockposaune Katharina Heutjer und Cosimo Starwiarski, Violinen, Natalie Carducci, Viola, und Christine Wiegräbe, Violoncello, außerdem Simon Reichert am Cembalo. Ein superb interagierendes Kammerensemble war da am Werk, eingeschworen auf historisch informierte Wiedergabe, dessen sorgsame Interpretation weit jenseits aller musealen Sophisterei schlichtweg Esprit und musikantischen Elan signalisierte. Und diesen zuweilen scheinbar so simpel und artig daherkommenden Leopold doch in ein effektvoll enervierendes Licht zu rücken vermochte. Frühklassik – diese Epoche war ja irgendwie auf der Suche. Eben war die Barockzeit abgetan, die Formvollendung der klassischen Epoche längst noch nicht erreicht. Auf diesem schmalen Grat der musikalischen Zeitenwende balancierten Leopold Mozart ebenso wie sein Bruder im „Schattenkabinett“ der Musikschreibung, Michael Haydn. Auch er, dessen Werke zu Lebzeiten nie verlegt und folgerichtig auch nicht den Öffentlichkeitsgrad vergleichbar dem Œuvre seines Bruders Joseph erreichen konnten, hat umfang- und segensreich kompositorisch gewirkt. Wie Leopold Mozart in Salzburg. Aus seinem reichen Schaffen hatte Henning Wiegräbe langsame Sätze für konzertante Posaune aus zwei Divertimenti ausgesucht. Und gemeinsam mit seinem Ensemble auf absolut superbe Weise zelebriert; kredenzt als ein kostbares Menü aus anmutigem Melos, packend virtuosem Zugriff und wunderbarem klanglichem Schliff. Dass zur Geburtstags-Hommage auch ein Beitrag des so nachhaltig geförderten, „auch nicht untalentierten Sohnes“ – so Henning Wiegräbes launige Anmerkung – nicht fehlen durfte, lag fast auf der Hand. Die Sonate in B (KV 19) hatte das „Wolferl“, längst schon im Konzertsaal abgebrüht und ganz fleißig im Erfinden, als Achtjähriger aufs Notenblatt gekritzelt. Und zumindest den Cembalisten im Eingangs-Allegro fabelhaft virtuos präludieren lassen. Violine und Cello, im Eingangssatz den Tastenakrobaten noch eher knapp kommentierend, entwickeln im Andante, erst recht im Menuetto, dann doch gehörig Selbstbewusstsein. Den Protagonisten Katharina Heutjer, Christine Wiegräbe und Simon Reichert sei gedankt für eine dezidiert elegante, dabei so einfühlend markante und fein nuancierte Wiedergabe des bemerkenswerten Opus aus der Kinderstube eines Genies. Zum Ende packte Henning Wiegräbe dann noch einen imposanten Special Effect aufs Podium. Die „Sinfonia Pastorale con corno“ von Leopold Mozart spielte er, fabelhaft sekundiert durch sein Ensemble, auf dem Hirtenhorn, auch Tiba genannt, einer aus Graubünden stammenden verkürzten und geraden Form des traditionellen Alphorns. Und da tönte Vater Mozarts Originalität am reinsten. Seine alpenländische Bodenständigkeit, seine Liebe zum Volkstümlichen und die Fähigkeit, dies mit handwerklichem Schliff im Artifiziellen abzubilden. Jägerlatein in kompositorischem Galadress, artig in Töne gesetzt, vor allem aber geistreich ummantelt und von Meistern der Couleur „Capricornus“ spiellaunig abzuliefern. Henning Wiegräbe zelebrierte seinen Part überaus tonschön und kultiviert, einmal mehr mit rundweg makellosem Streicherklang und quirligem Tasteneinsatz abgefedert. Schön war’s wieder, zu Ostern im Herrenhof.

x