Neustadt Haßloch: Gründung der Gruppe „Besser Hören“

Ricarda Neuberg trägt Cochlea Implantate. Das sind moderne Innenohrprothesen, die operativ eingesetzt werden.
Ricarda Neuberg trägt Cochlea Implantate. Das sind moderne Innenohrprothesen, die operativ eingesetzt werden.

Zu verstehen, was der andere eben am Telefon oder auf der anderen Seite des Tisches gesagt hat, ist nicht einfach für Hörgeschädigte. Selbst schon immer auf Hörprothesen angewiesen und mit zwei „Cochlea Implantaten“ versorgt, bietet Ricarda Neuberg jetzt eine Selbsthilfegruppe an, die „Besser hören“ für alle zum Thema macht.

„Gerade vorhin hat mich unser Automechaniker ganz prüfend angeschaut“, erzählt Ricarda Neuberg. Mit dem Zustand ihres Wagens hatte das allerdings zum Glück nichts zu tun. Die beiden bunten „Knöpfe“ am Hinterkopf seiner Kundin waren dem Handwerker aufgefallen. Etwa so groß wie Deckel von Saftflaschen und in auffälligen Farben sind die Kappen ihrer beidseitigen elektronischen Hörprothese. So lassen sie sich eben kaum übersehen. Noch dazu, wenn Neuberg sie keck aus ihrer Kurzhaarfrisur blitzen lässt. Ihre wichtigsten „Helfer“ im Alltag verstecken, das will die 52-Jährige schließlich überhaupt nicht. Sie betont sie lieber, und ein „Angesprochenwerden“ nimmt sie nicht nur in Kauf, sondern freut sich: „Im Gegensatz zur Versorgung mit einer Brille ist die Schwerhörigkeit noch immer ein Tabuthema. Wenn aber jeder Betroffene sich gut informiert, sich mit anderen austauscht und die medizinischen Möglichkeiten nutzt, kann man an Lebensqualität unglaublich viel gewinnen.“

Monatliche Treffen

Genau das hat die Technische Zeichnerin, die von Geburt an hochgradig schwerhörig ist und dadurch keine leichte Schul- und Lehrzeit hatte, sich jetzt zur Aufgabe gemacht. Ab 20. Oktober möchte Ricarda Neuberg in Haßloch eine Gruppe namens „Besser hören“ anbieten, die sich einmal im Monat trifft und so die schon bestehende Selbsthilfegruppe Cochlear Implant Neustadt-Pfalz-Bad Dürkheim als zusätzliches Angebot ergänzen und erweitern soll. Neuberg findet, „dass es nicht sein darf“, dass Haßloch bei einer gar nicht „dörflichen“ Größe von über 20.000 Einwohnern kein eigenes Angebot vor Ort hat. „Genauso akzeptiert wie ein Herzschrittmacher“ sollte das Cochlea Implantat für sie sein. Schon im vergangenen Jahr hatten Ricarda Neuberg und der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Franz Krätschmer einen ersten Aufruf gestartet, sie musste aber die Gründung aus zeitlichen Gründen verschieben. Trotzdem hätten sich beim letzten Gesundheitstag gleich mehrere Interessenten erkundigt. Nicht nur Implantate, sondern auch die Anfänge der Schwerhörigkeit wie ein Rauschen im Ohr oder der Hörsturz sollen Thema sein, und Angehörige sind genauso willkommen wie Betroffene.

„Es war hart, mich zu integrieren.“

„Fast schon fast an der Grenze zur Taubheit“ war Neuberg als Zweijährige selbst, wie sie im RHEINPFALZ-Gespräch erzählt: „Erst da sprach der Kinderarzt meine Eltern auf meine deutlich verzögerte Sprachentwicklung an, die sie längst vermutet hatten.“ Starke Schwerhörigkeit lautete die ärztliche Diagnose – durch eine angeborene Schädigung des Innenohrs, bis dahin unbemerkt. Erst wurde Ricarda Neuberg auf die Schwerhörigenschule geschickt, später kämpfte ihre Mutter für eine Versetzung an die Regelschule. Dennoch musste sie das dritte Jahr wiederholen: „Es war hart, mich zu integrieren. Außerdem wurde ich statt taub damals oft als dumm betrachtet.“ Dennoch gelingt es ihr, die Mittleren Reife zu schaffen, mit ihrem Hörgerät den Führerschein zu machen und Technische Zeichnerin zu werden. Damit hat sich die Mutter zweier Töchter sogar nachträglich das Fachabitur erkämpft, um sie stolz zu machen.

Cochlea Implantate helfen

Von dem großen Kasten, den sie als Kind umhängen musste, wurde Neubergs Hörhilfen immerhin im Lauf der Jahre immer kleiner. Vor knapp vier Jahren ist aber trotz stetiger ärztlicher Behandlung fast eingetreten, dass sie erneut fast taub war. Ein Schock für die Neubergs: Zum Glück ermöglichte jeweils ein noch funktionsfähiger Hörnerv, dass weiter Hörsignale ins Innenohr geleitet werden konnten und Ricarda Neuberg so für Cochlea Implantate geeignet war. Ungefähr anderthalb Stunden dauert ein solcher Eingriff pro Seite in einer von etwa 80 Fachkliniken bundesweit. Danach können Betroffene aber wieder, vom Vogelgezwitscher bis zum hupenden Auto, ihre Umwelt sehr umfassend wahrnehmen. Ricarda Neuberg ist glücklich: „Wenn ich noch ein drittes Ohr hätte, würde ich auch das wieder implantieren lassen.“ Trainiert und kontrolliert werden muss nach der OP durch Fachleute: Stimmtherapeuten, Logopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte helfen – und eben auch Selbsthilfegruppen wie ihre geplante. Noch Fragen? Die neue Gruppe „Besser hören“ trifft sich jeden dritten Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr im Diakonissenhaus, Langgasse 109 in Haßloch. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich, auch Angehörige können teilnehmen. Die ersten Termine sind am 20. Oktober, 17. November und 15. Dezember. Kontakt: Ricarda Neuberg, Telefon 0162/9765646, E-Mail: ricarda.neuberg@web.de.

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