Neustadt Haßloch: AfD will Liveübertragungen von Ratssitzungen

Gemeinderatssitzung als Livestream?: Für die AfD ein Mittel gegen Politikverdrossenheit. Foto: mehn
Gemeinderatssitzung als Livestream?: Für die AfD ein Mittel gegen Politikverdrossenheit.

Die Gemeindeverwaltung soll die Voraussetzungen für Live-Übertragungen von Sitzungen des Gemeinderats im Internet prüfen, hat die AfD-Ratsfraktion beantragt. Das Thema steht auf der Tagesordnung der Ratssitzung am 15. August. Solche Livestreams gibt es in Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen und Trier.

Eine Live-Übertragung von Ratssitzungen sei ein „niedrigschwelliges Angebot“, sagt AfD-Fraktionsvorsitzender Thomas Stephan. Nicht jeder wolle als Zuhörer zu Ratssitzungen gehen. Bei einem Livestream habe man die Möglichkeit, „zuhause anonym vor dem Rechner zuzuhören“. Zudem könnten so auch Bürger, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht ins Rathaus können, eine Ratssitzung erleben. Und mit Live-Übertragungen im Internet erreiche man „auch jene Bürger, die in erster Linie das Internet und die sozialen Medien zur Information nutzen“, heißt es in der Begründung des AfD-Antrags.

Durch die Live-Übertragung im Internet könne man auch deutlich machen, dass es in Ratssitzungen „durchaus einen öffentlichen Disput gibt“, sagt Stephan. Man könne so für Kommunalpolitik werben und etwas gegen Politikverdrossenheit tun. Die AfD fordert in ihrem Antrag unter anderem, dass die Livestreams auf der Internetseite der Gemeinde abrufbar sein und archiviert werden sollen.

Bei einer Direktübertragung von Ratssitzungen hätten Bürger die Möglichkeit, „unmittelbar auf Beiträge im Rat zu reagieren, zum Beispiel in den sozialen Medien“, nennt die AfD-Fraktion als weiteren Punkt in der Begründung ihres Antrags. Es solle allerdings nicht so sein, dass die Ratsmitglieder diese Beiträge in den sozialen Medien direkt in der Ratssitzung vortragen und eventuell kommentieren, sagt Stephan.

Alle Ratsmitglieder müssen zustimmen

„Ratsmitglieder haben ein Recht darauf, ihr Mandat unbeeinflusst von Dritten ausüben zu können“, teilt eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Inneres und Sport auf Anfrage der RHEINPFALZ mit. Dies sei der Grund dafür, dass bei Ratssitzungen von der Sitzungsleitung Zwischenrufe und Beifall von Besuchern unterbunden werden soll.

Laut der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung seien Ton- und Bildübertragungen von öffentlichen Ratssitzung grundsätzlich zulässig, ebenso Ton- und Bildaufzeichnungen, so die Sprecherin des Innenministeriums. Dies sei entweder durch Medien oder im Auftrag der Gemeinde möglich. Allerdings gelte das nur, wenn alle Ratsmitglieder zustimmen. Näheres zu Bild- oder Tonübertragungen müsse in der Hauptsatzung der jeweiligen Gemeinde geregelt werden, erläutert die Sprecherin des Ministeriums.

Ton- und Bildübertragungen von Ratssitzungen sind bisher in der Hauptsatzung der Gemeinde Haßloch kein Thema. Ludwigshafen und Trier nennt die Sprecherin als diejenigen Orte in Rheinland-Pfalz, in denen Ratssitzungen in Livestreams im Internet übertragen werden. Beide Städte haben in ihre Hauptsatzung einen Paragraphen mit Vorgaben zu Livestreams aufgenommen. Diese Vorgaben sind in beiden Städten weitgehend identisch. So ist es nicht zulässig, Zuschauer zu filmen. Mitarbeiter der Verwaltung, Sachverständige und andere Teilnehmer von Ratssitzungen dürfen nur gefilmt werden, wenn sie schriftlich zustimmen. Der Ablauf der Sitzung darf durch die Aufnahmen nicht beeinträchtigt werden, und der Rat kann beschließen, dass Teile von Sitzungen oder auch ganze Sitzungen von der Übertragung ausgenommen werden.

„Videobeweis“ in Ludwigshafen

Bürgermeister Lothar Lorch (CDU) teilt auf Anfrage der RHEINPFALZ mit, dass er zu dem Antrag der AfD keine Stellungnahme abgeben will. Zu den Kosten, die durch die Livestreams, etwa für Technik und Personal, entstehen würden, könne man bisher noch nichts sagen, so Marcel Roßmann, Sprecher der Gemeindeverwaltung. In Ludwigshafen rechne man pro Ratssitzung mit Kosten von etwa 630 Euro für den Livestream.

In Ludwigshafen wurde bisher eine Ratssitzung live ins Internet gestellt. Was sich für die AfD als nicht gerade günstig erwies: Nach einer turbulenten Abstimmung über die Besetzung des Hauptausschusses war das Ergebnis nicht ganz klar. Die Liveaufnahmen wurden deshalb als „Videobeweis“ genutzt, und es stellte sich heraus, dass sechs Mitglieder der AfD-Fraktion einem Vorschlag der SPD für die Besetzung des Hauptausschusses zugestimmt und so ihre eigene Fraktion um einen möglichen Sitz in diesem Ausschuss gebracht haben.

Zweischneidig

Von Annegret Ries

Liveübertragungen von Ratssitzungen im Internet sind eine zweischneidige Sache. Sicher ist es richtig, dass so auch Bürger, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht auf die Zuschauertribüne wollen oder können, die Möglichkeit haben, eine Ratssitzung zu verfolgen. Wenn allerdings in den sozialen Medien die Übertragungen kommentiert werden, wird das Ganze problematisch. Denn jeder hat hier die Möglichkeit, anonym jeden Stuss zu äußern oder massive Meinungsmache zu betreiben. Eigentlich sollte man von Ratsmitgliedern erwarten, dass sie sich dadurch nicht beeinflussen lassen. Die Realität sieht leider anders aus. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Bürger durch Lobbyarbeit im Internet während einer Ratssitzung eine Abstimmung beeinflussen können. In einer Demokratie sollen Ratsmitglieder sich aber nicht nach einer Interessengruppe richten, sondern im Sinn aller Bürger handeln.

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