Neustadt Grün mit Haftungsrisiko

Jetzt wieder ohne Rebstock an der frisch sanierten Fassade: das Gebäude Rathausstraße 20.
Jetzt wieder ohne Rebstock an der frisch sanierten Fassade: das Gebäude Rathausstraße 20.

Die Neustadter Innenstadt soll grüner werden, die SPD-Fraktion im Stadtrat hat deshalb einen Antrag für Fassadenbegrünung gestellt (wir berichteten). Eine Hauseigentümerin in der Rathausstraße ist bei dem Versuch, ihre Hauswand mit einer Weinrebe zu verschönern, allerdings auf wenig Verständnis bei den städtischen Behörden gestoßen.

Die frisch renovierte Fassade in der Rathausstraße sollte eine Weinrebe zieren, so war der Traum von Karin Burkhardt. Das Denkmalamt hatte bereits grünes Licht gegeben, die kleine Weinrebe war frisch gepflanzt. Weil sie allerdings mehrmals auf die Gefahr durch Wurzeleinwuchs in den Kanal und die daraus resultierende Haftung des Bepflanzers hingewiesen worden war, wurde die Hauseigentümerin unruhig und machte sich selber schlau. Beim Bauamt bekam sie wenig ermutigende Informationen: „Man sagte mir, dass ich für alle auftretenden Schäden an der Kanalisation haftbar sei und man an meiner Stelle auf keinen Fall etwas pflanzen würde“, erinnert sie sich an das Gespräch. „Da wir bei einer Kamerauntersuchung am Kanal bereits Schäden durch abgeplatzte Stücke festgestellt hatten, entschieden wir uns, die Weinrebe wieder zu entfernen. Das Risiko war uns zu groß.“ Doch wie soll die Begrünung der Fassaden der Innenstadt gelingen, wenn die Rechtslage derart unsicher ist?, fragt sich Burkhardt. „Sobald Wurzeln am Kanal ankommen oder gar in ihn eindringen, haftet der Grundstückseigentümer“, bestätigt Klaus Klein, Werkleiter beim Eigenbetrieb Stadtentsorgung ESN. Dabei sei es auch nicht relevant und zudem nicht nachvollziehbar, ob die Leitungen schon vorher geschädigt waren. „Aber da wir das Netz regelmäßig kontrollieren und einmal im Jahr spülen, sind wir grundsätzlich immer auf dem Laufenden, was Schäden angeht“, so Klein. Mit Weinreben habe er erst ein Mal Probleme erlebt, weitaus häufiger seien es Trauerweiden, die den Kanal „besuchen“. Ältere Abschnitte der Kanalisation seien eher anfällig für Schäden durch Baumwurzeln, die neueren Kanäle seien wurzeldicht verlegt. „Etwa vier bis fünf Mal im Jahr verzeichnen wir Probleme mit Wurzeln, die sich regelrecht um den Kanal wickeln können“, so der Werkleiter. Neben Weinreben zählen Rosen und Feigen zu den sogenannten Tiefwurzlern, die mit der Kanalisation in Berührung kommen können. „Früher hat man diese Bäume an den Hauswänden gepflanzt, damit sie das Grundwasser aus den Lehmwänden ziehen“, weiß Karin Burkhardt. Heute sind die wasserliebenden Wurzeln eher ein Nachteil. Eine sichere Lösung, damit Wurzeln nicht in Leitungen eindringen können, gebe es nicht, stellt Michael Fuhrer, Abteilungsleiter Grünflächen, klar. Es bestehe nur die Möglichkeit, geschlossene Kunststoffbahnen in den obersten 60 Zentimetern der Pflanzgrube einzustellen. „Damit sollen die Wurzeln nach unten abgeleitet und verhindert werden, dass die Wurzeln entlang von Tiefbordsteinen oder ins Pflasterbett einwachsen können“, erklärt der Fachmann. Einen Schutz der Kanalisation bietet diese Maßnahme aber nicht.

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