Neustadt Geschnorrte Weihnachtsmesse

«Neustadt.» Volles Haus zum Jahresabschluss gab’s am Samstagabend beim Kleinkunstverein „Reblaus“: Mit dem Duo „Kabbaratz“ aus Darmstadt waren langjährige Stammgäste gekommen, und diesmal hatten sie ihr Weihnachtsprogramm „Ich find’s so schön, wenn der Baum brennt“ im Gepäck.

Angesichts allfälliger Glühweinseligkeit machte die angekündigte „Verweigerung des Harmoniediktats“ neugierig, und, ja, Evelyn Wendler und Peter Hoffmann hielten ihr Versprechen, Geschenke zu machen, die kein Mensch braucht: Stattdessen lieferten sie zwei Stunden lang beste Unterhaltung auf hohem Niveau. Sie setzten dabei auf die klassische Rollenverteilung einer Frau, die es gnadenlos gut meint, und eines Mannes, der tapfer gegen die Vorfestdepression anzulächeln versucht, obwohl die gute Laune für das Jahr 2018 bereits aufgebraucht ist. Für ihn sind Familien ohne Weihnachtsbaum die eigentliche Elite, sie hingegen versucht stets, Weihnachten mit Humor zu nehmen – zum Beispiel, wenn von der Schwiegermutter, die sich den Vornamen der Frau seit 25 Jahren nicht merken kann, bereits die siebte Muskatnussmühle unterm Tannenbaum liegt. Wie es eben so ist, wenn Weihnachten vor der Tür steht und man vergessen hat, abzuschließen. „Wo echte Kerzen brennen, ist häusliche Gewalt nicht weit“, bilanziert Hoffmann die eher nach innen gerichtete Freude über eine Krawatte von seiner Frau und den sich daraus entspinnenden Dialog, der – natürlich – in Verstimmung endet. Ebenso wie bei den von ihm auf ihr Geheiß aus dem Supermarkt mitgebrachten Mandeln, mit denen sie natürlich keine Nussplätzchen backen kann, wie sie es doch seit 25 Jahren macht. In loriotesker Manier entwickeln Wendler und Hoffmann aus dem Fehlkauf, der ja nur daraus resultierte, dass er ihr überhaupt zugehört hat, eine regelrechte Ehekrise, bei der es nicht zuletzt um seine Kloputzfrequenz und ihren finanziellen Beitrag zum gemeinsamen Konto geht. „Reden lassen, aber nicht zuhören“, ist denn auch Hoffmanns Rat für die Weihnachtszeit, in der sich Gespräche nur schwer vermeiden lassen werden: „So gibt’s weniger Stress.“ Geschenke sind ein weiteres unvermeidliches Thema eines Weihnachtsprogramms, und so widmen sich „Kabbaratz“ denn auch im interaktiven Teil den mitunter wahrlich rätselhaften Gaben, die unter anderem die Firma WMF und diverse Buden auf den Weihnachtsmärkten dazu im Portfolio haben: Niemand aus dem Publikum erkennt den Teebeutelhalter oder den Dochtlöscher, auch am Schürzengürtel, mit dem man aus handelsüblichen Geschirrhandtüchern eine Schürze machen kann, scheitert das Publikum. Respekt hingegen verdient jene Dame aus dem Auditorium, die in einem kleinen Plastiknikolaus mit seltsamer Kniehaltung einen Abstandshalter für Topfdeckel erkennt und Hoffmann die Steilvorlage dafür gibt, warum man sich für so manches Geschenk mit den Worten „Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen“ bedankt. Die Absprache, überhaupt keine Geschenke zu machen, erweist sich freilich als nicht minder schwer umzusetzen, und beim Versuch, etwas Immaterielles zu schenken, um dem Geist von Weihnachten näher zu kommen, werden Alternativen wie der Kauf von Christbäumen, die dann im Wald wieder ausgesetzt werden (Stichwort Klimawandel) ebenso verworfen wie die Idee, etwas für Kinder zu machen (Stichwort „die Lauser der Nachbarn“) oder einen Straßenhund aus Andalusien aufzunehmen (Stichwort „Was mit Tieren“). Beim Thema „Ausländer“ erzielen die beiden immerhin die Einigung, am zweiten Feiertag mal beim Kurden zu essen. „Keine Kirchensteuer zahlen, aber die Weihnachtsmesse schnorren“, sagt Hoffmann zu an Heiligabend stets gut gefüllten Kirchenschiffen, in denen die Pfarrer kaum predigen können, weil die Eltern ihre Kinder singen hören wollen. In diesem Sinne: Frohes Fest!

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