Neustadt Folgenschwere Begegnung

Mit dem Auto kollidierte der 29-Jährige erst mit zwei Wildschweinen, dann stieß er gegen Bäume.
Mit dem Auto kollidierte der 29-Jährige erst mit zwei Wildschweinen, dann stieß er gegen Bäume.

Kurz nach Mitternacht. Ein 29-Jähriger aus der Südwestpfalz fährt auf der B 10 in Richtung Pirmasens. Neben ihm sitzt ein gleichaltriger Freund. Zwischen Godramstein und Birkweiler rennt plötzlich eine Rotte Wildschweine über die Straße. Das Auto des jungen Fahrers knallt mit zwei Tieren zusammen, er verliert die Kontrolle und kommt von der Fahrbahn ab. Mit voller Wucht prallt der Wagen gegen mehrere Bäume. Während der Beifahrer bei dem Unfall gegen 0.15 Uhr nur leicht verletzt wird und aussteigen kann, ist der Fahrer im Wagen eingeklemmt. 24 Helfer der Landauer Feuerwehr rücken an, um mit schwerem Gerät das Dach des Autos wegzuschneiden und den 29-Jährigen schnell befreien zu können. Doch der ist zu diesem Zeitpunkt schon tot. Die B 10 wird für rund vier Stunden gesperrt, die Unfallstelle weiträumig ausgeleuchtet, damit ein Gutachter für die Staatsanwaltschaft seiner Arbeit nachgehen kann. In jüngster Zeit haben sich bei Landau einige Unfälle mit Wild ereignet, zuletzt am Dienstag auf der Bundesstraße am Ebenberg. „2017 gab es 45 Unfälle mit Wild in Landau“, berichtet Rolf Göttel von der Polizei. Das mache zwei Prozent aller Unfälle im Stadtgebiet aus. Am Ebenberg, wo vor zwei Monaten Bäume und Hecken entfernt worden waren, damit Autofahrer Tiere frühzeitig sehen können, waren es 17 Unfälle. „Dort ist der Schwerpunkt“, sagt Göttel. Im gesamten Gebiet des Polizeipräsidiums Rheinpfalz war Wild im vergangenen Jahr 2276-mal (2016: 2152) schuld daran, dass es gekracht hat, darunter 252-mal im Raum Bad Bergzabern. Allein auf der B 10 zwischen A 65 und Rinnthal hat es nach Angaben der Beamten 28 Unfälle mit Wild gegeben, im Jahr zuvor waren es 22. Ein vom Ablauf her ähnlicher Unfall wie der in der Nacht auf Freitag ereignete sich im vergangenen April auf der B 10 an fast derselben Stelle, wie sich Rolf Göttel erinnert: Ein 22-Jähriger war nach eigenen Angaben einem Reh ausgewichen, von der Straße abgekommen und dann mit seinem Auto ebenfalls gegen einen Baum geprallt. „Das war ein ähnlich schlimmer Unfall, aber mit nicht ganz so tragischen Folgen“, bilanziert Göttel. Der 22-Jährige war damals zum Glück nur leicht verletzt worden. „Das ist eigentlich ungewöhnlich“, sagt Jörg Sigmund dazu, dass Wildschweine sich um diese Jahreszeit an der Bundesstraße aufhalten. Der Eußerthaler, der als Kreisjagdmeister für Landau und den Kreis Südliche Weinstraße zuständig ist, führt dies zum einen auf Hecken und Büsche zurück, in denen die Tiere es sich gerne schon mal ein, zwei Tage gemütlich machten, aber vor allem auf den gemäßigten Winter. „Durch die milde Witterung ohne strengen Frost sind die Würmer noch im Oberboden aktiv“, weiß Sigmund. Wildschweine liebten diese Würmer – und Kompost, der in der Natur verteilt werde. Wäre das Futter nicht bei Landau in den Weinbergen zu finden, wären die Wildschweine wohl nur im Wald bei ihren ebenfalls geliebten Eicheln und Kastanien – wie ab November eigentlich üblich. Sigmund schätzt, dass es in der Südpfalz rund 6000 bis 9000 Wildschweine gibt. An einigen Stellen in der Region gibt es am Straßenrand blaue Reflektoren, die Autofahrern nicht die Orientierung im Dunkeln erleichtern, sondern Rehe, Hasen und Co. fernhalten sollen. Im Licht der Scheinwerfer blitzen diese auf – und die Tiere rennen im besten Fall vor Schreck nicht auf die Straße. Laut Sigmund gibt es solche Reflektoren zum Beispiel zwischen Edenkoben und Edesheim, bei Bad Bergzabern, bei Hochstadt und Kirrweiler. Aufgestellt würden diese von den Jägern in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit Sitz in Speyer. „Mit den Reflektoren haben wir positive Erfahrungen gemacht – aber fast nur mit Rehen“, erläutert er die Situation. Wildschweine ließen sich davon nicht so sehr beeindrucken. Bei Blau sehen also nicht alle Waldbewohner rot. An der B 10 bei Landau gibt es weder Reflektoren noch Wildtierzäune, wie Martin Jahn, bis vor Kurzem Leiter der zuständigen Straßenmeisterei Landau und jetzt Fachgruppenleiter Betrieb beim Landesbetrieb Mobilität, auf Anfrage berichtet. Zäune gebe es an der Bundesstraße lediglich bei Annweiler. Kreisjagdmeister Sigmund hält ohnehin nicht viel von diesen Barrieren: „Die müssten sehr stabil gebaut sein und sehr oft kontrolliert werden.“ Die Wildschweine könnten die Zäune mühelos „hochziehen“. Experten raten folglich, immer vorausschauend und langsam zu fahren. „Man sieht an dem Unfall, dass jederzeit mit Wild gerechnet werden muss“, fügt Sigmund hinzu. „Auch auf der B 10 bei Landau.“

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x