Neustadt Einst irritierende Meisterwerke

Erstmals eröffnete mit dem Lupot-Quartett ein Streicherensemble die Konzertreihe in Deidesheim.
Erstmals eröffnete mit dem Lupot-Quartett ein Streicherensemble die Konzertreihe in Deidesheim.

«Deidesheim.» Eine doppelte Premiere konnten Besucher am Samstagabend in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Ulrich beim zweiten Konzert des 21. Deidesheimer Musikherbsts erleben: Zum ersten Mal hatte die Organistin und künstlerische Leiterin der Konzerte, Elke Voelker, ein Streichquartett eingeladen. Zum ersten Mal auch wurde statt mehrerer kleiner Stücke ein Hauptwerk ausgewählt und dieses besprochen.

Die Vorstellung des Werks, des Streichquartetts F-Dur, op. 59/1 „Rasumowsky“, von Ludwig van Beethoven, sei „ein kleiner Versuch, eine andere Art der Programmgestaltung“ anzubieten, erläuterte Voelker. Neugierig gemacht hatte das allerdings nur ein kleineres Publikum. Dabei hätte dieses Konzert allein schon wegen seiner Interpreten, dem Lupot-Streichquartett, sehr viel mehr Zuhörer verdient gehabt. Denjenigen, die gekommen waren, verging die Zeit trotz der Länge des Hauptwerks mit seinen knapp 50 Minuten wie im Flug. Dank der informativen, gut verständlichen und humorvollen Moderation von Friedrich-Martin Voigt, dem Cellisten des Lupot-Quartetts, konnte sich dem Publikum erschließen, welche Bedeutung Beethoven seinerzeit für die Entwicklung des Streichquartetts hatte. „Mit Sturm und Drang – Beethovens Revolution“ hatte er seinen kleinen Vortrag überschrieben. Zur Verdeutlichung sorgte er dabei zunächst mit Beethovens „Fuge aus Händels Ouvertüre zu Salomon“ für Streichquartett für eine Überraschung. Ein kurzes Stück nur, das Andrei Rosianu mit Tönen einleitet, die feierlich im Raum zu stehen scheinen, bevor die übrigen Musiker sich dazu gesellen: Susanne Phieler (zweite Violine), Stephanie Phieler (Viola) und Friedrich-Martin Voigt (Violoncello), doch genug, um Verwunderung hervorzurufen. „Das klingt doch nicht nach Beethoven?“ Kein Wunder, erfahren die Besucher von Voigt, „es ist Händel, von Beethoven auf vier Instrumente verteilt“. So leicht lässt sich Musikalisches auch erklären. Doch Beethovens Interesse an Streichquartetten fiel nicht vom Himmel, ein Grund dafür war das wachsende Interesse des Bürgertuns daran. Er begann, Formen wie eine Klaviersonate zum Streichquartett umzugestalten und so den Klang zu erweitern. Seine Ideen stießen allerdings nicht nur auf Begeisterung. Als „Flickwerk eines Wahnsinnigen“ hätten Zeitgenossen das „Rasumowsky“-Quartett bezeichnet, so Voigt, hätten das Werk, das heute als musikalisches Meisterwerk gilt, als irritierend, ja sogar abstoßend empfunden. Das wiederholte Streichen eines einzigen Tons auf dem Violoncello hätte zeitgenössische Spieler gar so in Rage bracht, dass sie auf den Noten herumtrampelten. Die Besucher konnten sich dank der Einführung sehr gut auf das einstellen, was die Streichquartette Beethovens ausmacht: die Ausweitung von Form und Klang und „eine Dichte, wie sie sonst nur ein Orchester zu meistern hatte“. Das Lupot-Streichquartett, der klassischen Tradition dieser Musik verpflichtet, wurde der Herausforderung mit Brillanz und sich übertragender Begeisterung gerecht, mit formvollendeter Tongebung und höchster technischer Raffinesse. Das ließ die Zuhörer schon beim ersten Satz den Atem anhalten, als das Cello mit dem liedartigen Thema einsetzt, auf das die anderen Instrumente nach und nach antworten. Dialoge zwischen den einzelnen Instrumenten, Soli und Zusammenspiel wechseln sich immer wieder ab, neben Passagen, die an Kinderlieder erinnern, treten gewaltige Fortissimi, das Aufmerken auf das Streichen eines einzigen Tons gerät für das Publikum fast zur Nebensache. Da gibt es slawische Elemente, vor allem im letzten Satz, zu entdecken, da unterbricht ein Pizzicato der Geige oder des Cellos den träumerischen Fluss der Melodie, an anderer Stelle sorgen leichte Dissonanzen für Aufhorchen. Selbst der Schluss löst die Spannung vorerst nicht: statt des erwarteten großen Akkords lässt Beethoven das Cello noch einmal einsetzen, um das Allegro schließlich mit einem Fortissimo zu beenden; gerade so, als wolle er seine Zuhörer narren.

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