Neustadt Ein Abend in Schwarz

Eckart Breitschuh und Greg Baker (hinten).
Eckart Breitschuh und Greg Baker (hinten).

«Maikammer». Am Donnerstagabend wandelte Eckart Breitschuh im alten Saal des Maikammerer Kulturhofs 1590 auf den Spuren Jacques Brels, des bekannten, belgischen Chansonniers, der bereits am 9. Oktober 1978 in Frankreich verstarb.

Den „Autobahnstaus der Anreise aus Hamburg entronnen“, ging es mit einstündiger Verspätung los. Erinnerungen an die ebenso gefühlvoll emotionalen, wie zornig gesellschaftskritischen Lieder der Chanson-Legende wurden allerdings nicht in französischer, sondern in deutscher Sprache von Breitschuh interpretiert. Ganz in Schwarz steht Breitschuh am Mikrofon, wie es von Brel bekannt war – Konzentration der Gäste auf den Sänger und sein Lied und nichts, was von den kommenden, teils frivolen, teils deftigen oder auch melancholisch verträumten Inhalten ablenken könnte. Es waren große Schuhe, in denen ein „deutscher Nachfolger“ Brels leicht stürzen kann. Doch auch wenn Breitschuh kein ausgebildeter Sänger, sondern hauptberuflich Autor und Illustrator ist, meistert er die Hürden in einer Mischung aus darstellender Kunst und – besonders in den temperamentvoll kühnen Gesangspassagen – mit Bravur, immer in Begleitung seines perfekt die Dramaturgie beherrschenden, erfahrenen Pianisten Greg Baker. Seit 2012 seien sie gemeinsam auf Tour mit den Brel-Interpretationen, erzählt Breitschuh. Das Duo wirkt so aufeinander eingestimmt, dass Baker wohl schon ahnt, wann Breitschuhs Temperament emporsteigt, der beispielsweise als „Teufel auf Erden“ den Song mit schauspielerischer Mimik und Gestik zur kleinen Bühnenaufführung mit ebenso überraschend kunstvollen Pausen wie besonders temporeichen Stimmausbrüchen werden lässt. Ganz große Titel Brels haben die Künstler im Gepäck wie etwa „Amsterdam“ oder „Ne me quitte pas“ („Verlasse mich nicht“), das geschickt zu einem „Bleib doch bitte da“ im Deutschen umgetextet wird. Es wird die Liebe erlebt, der Tod gefürchtet, der „Spießer“ verlacht („Les bourgeois“), und es werden die Alkoholgelage bis zum Exzess zelebriert, nicht nur „an den Docks von Amsterdam“, wo ein Seemann sitzt „… und die schwielige Hand winkt mehr Fritten herbei … und sie lachen sich wellig, sie wackeln sich krumm … und er trinkt und er trinkt und trinkt immer noch mehr“. Holt der Tod den Einen, wird der Nächste geboren. Das Leben in all seinen dramatischen und traurigen Facetten wird schnörkellos besungen, und so manch’ „feiste Sau wird der blanke Arsch gezeigt“. Brels ambivalentes Verhältnis zu Frauen tritt zutage. Er liebt sie, hält sie andererseits für berechnende, verschlagene Huren, wodurch so mancher seiner vertonten Helden in arge Nöte gerät, in denen dann der Alkohol ein gar zu verlässlicher Freund wird. Obwohl er die deutsche Sprache als „härter empfunden“ habe, sei jede seiner Interpretationen eigenhändig nahe am Ursprungstext ins Deutsche umgeschrieben, erklärt Breitschuh. Das ihm in fast allen Liedern gut gelungen. „Französisch spreche ich kaum“, erklärt der Künstler, erinnert sich jedoch daran, wie er bereits als Jugendlicher Brels Chansons mochte, und nach der Mühe der Übersetzung verblüfft erkannt habe, wie spannend Brels Inhalte gewesen seien. Aus Breitschuhs einführenden Erzählkünsten vor den Chansons und Bakers musikalischem Können entsteht so ein ebenso unterhaltsamer, wie beeindruckender Abend zu Brels Lebenswerk, wenngleich die emphatisch-leidenschaftliche Wirkung, die Brel allein schon durch die melodische, französische Sprachfärbung entfachen konnte, nicht in voller Intensität erreicht werden kann. Erst nach mehreren Zugaben und langem Applaus für die derzeit beste, deutsche Brel-Interpretation dürfen die Künstler den Saal verlassen.

x