Neustadt Diese blöde öffentliche Meinung

Allein 14 Singstimmen sieht die Besetzungsliste für Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ vor – doch Michael Qu
Allein 14 Singstimmen sieht die Besetzungsliste für Jacques Offenbachs Operette »Orpheus in der Unterwelt« vor – doch Michael Quast schafft das in seiner Fassung alles auch allein.

«Neustadt.» Im April 2017 war’s, als Michael Quast – seinerzeit gemeinsam mit Philipp Mosetter – sein Debüt auf der Kleinkunstbühne der „Reblaus“ gab und die RHEINPFALZ sich ein baldiges Wiedersehen wünschte. Am Samstagabend war es soweit, und wieder möchte man den Wunsch erneuern. Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ war der Abend gewidmet, der dem angejahrten Abiturienten wieder einmal Gelegenheit gab, sich den Beaux Arts zu widmen.

Dass Michael Quast sich den literarischen Klassikern auf eine ganz besondere Weise nähert, hat er schon bei seiner „Reblaus“-Premiere mit Goethes „Faust“ gezeigt, und er stellte es auch jetzt mit seiner wunderbaren Ein-Mann-Version von Offenbachs ja ohnehin schon parodistischer Operette erneut eindrucksvoll unter Beweis: Am Flügel begleitet von Rhodri Britton breitete er da erzählend und spielend die Geschichte des mediokren Musikers Orpheus vor dem Publikum aus, der von seiner Angetrauten Eurydike ziemlich genervt ist. Die wiederum betrügt ihn mit Aristäus. Hinter dem juvenilen Liebhaber steckt freilich Pluto, der Gott der Unterwelt – und so nimmt die im antiken Griechenland verortete Geschichte ihren wunderbar burlesken Lauf. Orpheus ist dabei eigentlich ganz froh, seine Alte los zu sein, doch die öffentliche Meinung in Gestalt der Sensationspresse – die gab’s schon zu Offenbachs Zeiten! – sieht einen so friktionslosen Verlauf nicht vor: Vielmehr müsse er seine Frau aus den Fängen des Liebhabers zurückholen, schließlich „steht’s so bei Ovid“ ... Stress gibt es freilich auch ganz oben, im Himmel: Dort nämlich pflegt Jupiter zum Leidwesen seiner Gattin Juno diverse Liebschaften. Juno hat über den Liebespostillon Merkur von Eurydike gehört und unterstellt ihrem Mann, deren Liebhaber zu sein. Und dann ist da noch die Schar aufmüpfiger Nebengötter, die angesichts des Sparzwangs im Olymp mit Revolte drohen, wo es doch im Hades die viel besseren Parties und das bessere Essen („Nicht immer Ambrosia“) gibt. Und weil die öffentliche Meinung eben insbesondere bei Göttern ein makelloses Image vorsieht, bleibt Jupiter nichts anderes übrig, als ein Exempel zu statuieren. Also verurteilt er Pluto, Eurydike zurückzugeben, und damit er sich persönlich vom Vollzug überzeugen kann, reisen die beiden zusammen in die Unterwelt – und weil es da nicht ganz so langweilig wie im Olymp ist, wollen alle anderen Götter mit ... Derweil langweilt sich Eurydike im Pluto’schen Boudoir beinahe zu Tode: Bewacht vom trunksüchtigen Styx beginnt sie sich sogar nach Orpheus zurückzusehnen, doch hat Jupiter schon ein Auge auf sie geworfen: In Gestalt einer Schmeißfliege schlüpft er ins Zimmer und summt ihr eine Arie vor, was tiefe Gefühle auslöst. Gemeinsam planen sie ihre Flucht, doch Pluto stellt sich ihnen in den Weg, und Orpheus ist schließlich auch schon unterwegs, um seine Frau wie angewiesen abzuholen – das kontroverse Liebesszenario geht seinem gnadenlosen Showdown entgegen. Am Ende bekommt Orpheus seine Eurydike zurück, unter der Bedingung, beim Aufstieg nicht zurückzuschauen. Doch als Jupiter im letzten Moment einen Blitz schleudert, dreht er sich doch kurz um – Eurydike endet als Bacchantin, kann damit aber eigentlich ganz gut leben. Und Orpheus bekommt endlich seine Arie und das Publikum den „Can Can“ – wenn auch „nur“ als Fingerkino im Pappkarton ... Gefühlte 24 Vorhänge gibt es nach zwei höchst unterhaltsamen Stunden vom begeisterten Publikum für die Zwei-Mann-Show, die mühelos eine prall gefüllte Bühne abgegeben hat. Munter und wandlungsfähig schlüpft Michael Quast in die diversen Rollen des nicht immer ganz übersichtlichen Plots und zeigt, dass sich hinter der 1858 erdachten Geschichte noch durchaus zeitgemäße Emotionen und Motivationen verbergen. Menschliches, allzu Menschliche wird hier trefflich ins Lächerliche gezogen. Und weil es sicherlich irgendjemanden gibt, der genau wissen will, wie die Vorstellung war, gibt natürlich auch hier die öffentliche Meinung ihren Senf dazu: große Klasse!

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