Neustadt Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen

«Neustadt-Hambach.» Das Werk war ein gewichtiger Beitrag zum Reformationsjahr 2017, auch wenn es sich nicht explizit auf Martin Luther bezieht: „Wahrheit in Flammen“, das Requiem des 1958 in Bitburg geborenen Kantors und Komponisten Ralf Grössler, setzt den glücklosen Vorreformatoren in Gestalt ihres wichtigsten Vertreters Jan Hus ein ambitioniertes musikalisches Denkmal. Am Sonntag wird es nun als pfälzische Erstaufführung mit den hauseigenen Ensembles in der Hambacher Pauluskirche erklingen.

Ralf Grössler betont es in Interviews stets nachdrücklich: Sein im Januar 2017 in seinem Heimatkantorat Wildeshausen unter großem Beifall uraufgeführtes Sakralwerk um den bedeutenden tschechischen Reformator will vor allem eines feiern – die Ökumene, die er auf einem guten Weg sieht. So errichtet der evangelische Kirchenmusiker, der als Schöpfer vielgespielter Kindermusicals und etlicher oratorischer Werke traditionelle Kirchenmusik brillant mit Gospel- und Jazz-Parametern zu verknüpfen weiß, sein bewegendes Opus auf dem Tableau der katholischen lateinischen Totenmesse. Der stringente Fortgang der neunteiligen Requiems-Liturgie wird allerdings ausgepolstert, vertieft, interpretiert und konterkariert mittels Versen aus dem Neuen Testament, Originalzitaten von Jan Hus und freien Texten aus der Feder des kongenialen Frankfurter Kirchentagdichters Eugen Eckert. Die Musik, tonal gebunden und dem Ohr des Hörers durchaus gefällig, ist auf vielfältige Weise durchsetzt mit Anklängen an die Gregorianik, aber auch modernen Gospel- und Jazz-Elementen. Demgemäß ist das üppig besetzte Orchester neben klassischem Instrumentarium mit allerlei Perkussion bestückt. Ein besonderer Part ist der Solo-Sängerin vorbehalten. Sie singt in englischer Sprache, denn sie bringt den Gospelsound ins Geschehen. Für Hambach konnte Carola Bischoff, die künstlerische Leiterin des Projekts, die Neustadter Jazzsängerin Nicole Metzger gewinnen, die mit atemberaubender Stimmkunst sicher nicht geizen wird. Den beiden Chören, hier die Kantorei an der Pauluskirche und der Frauenchor „Pfälzische Kurrende“, hat Grössler ein weites Agitationsfeld zwischen voluminös aufblühender, rhythmusgepeitschter Rhetorik, strenger Gregorianik und schlichter Melodik in die Partitur geschrieben. Formgebend und wie ein roter Faden im dramatisch aufgewühlten Geschehen ist die Leitmotivik, die Grössler wie nahezu selbstverständlich aus dem Namen seines Märtyrers kreierte: Hu(nd)S. Eingeflochten in die Tonarten h-Moll – Kreuz-Tonart, hell aufstrebend, gleichbedeutend mit Glanz – und Es-Moll – B-Tonart mit sechs Vorzeichen, dunkel, tragisch – bebildert das musikalische Motiv, gefügt aus zwei sich eher fern stehenden Tonarten, die beiden konträren Momente im Leben des Jan Hus. Hier der Volksheld und glühende Kämpfer für Wahrheit, dort der Flammentod, das tragische Scheitern, physisch und – zunächst – auch ideell. Herkömmliche Formen, Choräle etwa, sind dabei und wechseln nahtlos ins Jazzsoundige; liturgische Strenge paart sich mit Ekstase und Verve. Carola Bischoff schwärmt von der musikalischen Substanz, ebenso wie von Charisma und Eindringlichkeit des Werks. „Meine Chöre singen das wirklich sehr gerne, es ist einfach eine Seelenmusik“, sagt sie. Im Schlusschor formulieren die Vokalisten ein klanggewaltiges, fulminantes Plädoyer für Standhaftigkeit und Glauben. „Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen“, heißt es da. Termin „Wahrheit in Flammen“ erklingt am Sonntag, 21. Oktober, um 18 Uhr in der Hambacher Pauluskirche. Karten (25/18 Euro) in der Buchhandlung Quodlibet in Neustadt.

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