Neustadt „Der älteste Turner Deutschlands“

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Taff, zäh und sportlich: Das sind drei Begriffe, mit denen sich das Leben Kurt Domkes gut beschreiben lässt. Stolze 101 Jahre alt ist der Mann – und noch immer macht er regelmäßig ein bisschen Gymnastik.

Was Kurt Domke in seinen besten Zeiten so alles konnte, davon erzählen Fotos an den Wänden in seiner kleinen Wohnung im Neustadter Wohnstift: Domke am Barren, Domke am Reck, durchtrainiert, muskulös. „War schon ein fescher junger Mann“, sagt Johann Ammon, sein Schwiegersohn. Seit gut fünf Jahren lebt Domke, der in der Niederlausitz geboren wurde und viele Jahre in Niedersachsen lebte, jetzt in Neustadt. Tochter Ingrid wollte ihn in ihrer Nähe haben, um sich besser um ihn kümmern zu können. Der Kontakt in die Heimat ist indes nicht abgerissen. Als Domke hundert wurde, kamen Freunde, ehemalige Schüler und Vereinsrepräsentanten busseweise aus Hameln angereist. Domke ist im Sport nicht vergessen. Dass das Kunstturnen seine Leidenschaft war, zeigte sich schon früh. Mit acht Jahren fing er damit an. Und es waren stets die Turner, die Domke im Leben weiterhalfen. Zum ersten Mal, als er in den wirtschaftlich schwierigen 1920er Jahren arbeitslos wurde – trotz seiner Dreifachausbildung zum Kupferschmied, zum Rohrleger und zum Heizungsbauer. Der zweite Vorsitzendes des Turnvereins, der eine Weberei besaß, holte den jungen Mann damals von der Straße. Doch die Zeit dort dauerte nicht lange. In den 1930er Jahre begann Domkes Berufsleben als Turner. Einen seiner ersten Erfolge erzielte er 1933 beim Deutschen Turnfest in Stuttgart. Als jüngster Teilnehmer erreichte er unter Tausenden Mitbewerbern immerhin den 19. Platz. Sein Trainingspartner war Alfred Schwarzmann, der etwas später dreifacher Olympia-Sieger werden sollte. „Das hätte ich sein können“, erzählt Domke. Als Schwarzmann die Olympia-Ausschreibung gewann, musste Domke gerade aussetzen – verletzungsbedingt. Die beiden Turner blieben einander trotz der Konkurrenzsituation eng verbunden, bis zum Tod Schwarzmanns im Jahr 2000. Domke war nun aber beruflich im Sport angekommen. Er besuchte die Reichsakademie für Sport und absolvierte dort „eine der härtesten Ausbildungen“, die er je erlebt hatte. Am Ende stand allerdings zunächst einmal nicht das Diplom, sondern die Einberufung zum Militär. Domke hatte zweimal Glück: Weil sein Vater im Ersten Weltkrieg gefallen und er der einzige Sohn war, wurde er nicht an der Front, sondern als Nachschublieferant eingesetzt. Und als er beim Rückzug verletzt wurde, geriet er nicht in russische Gefangenschaft, sondern in englische. Ägypten statt Sibirien. In Nordafrika erholte er sich rasch von seiner Lungenverletzung und baute sogar im Gefangenenlager eine Turntruppe auf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging Domke nach Niedersachsen, wurde Sportlehrer und Mitglied der Niedersachsen-Riege. „Ein Sportlerleben durch und durch“, sagt Schwiegersohn Ammon. Im vergangenen Jahr luden ihn die Grünstadter Zweitliga-Turner zu ihrem Kunstturn-Vergleich ein und ehrten ihn als „ältesten Turner Deutschlands“. Als Kurt Domke vor vier Jahren an einer schweren Lungenentzündung erkrankte, glaubte niemand mehr, dass er wieder auf die Beine kommen würde. Doch er schaffte es. Es geht ihm gut heute, und er freut sich, wenn am 22. Juni – dann wird er 102 Jahre alt – wieder seine Freunde aus Hameln nach Neustadt kommen. Er ist eben taff und zäh. (müma/kkr)

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