Neustadt Bravour pur zu vier Händen

«Maikammer.» Der Publikumszuspruch am Freitagabend im Bürgerhaus war bescheiden. Trotz oder weil das Klavier-Duo Nina und Steffen Buchmann ein außergewöhnlich unterhaltsames Bravour-Programm offerierte, das nicht im Kanon der gängigen Kompositionen zu vier Händen plünderte, sondern sich lustvoll Arrangements von Klassik-Hit bis Film-Musik bediente. Und dennoch fast durchgängig Virtuoses vom Notenpult pflückte.

Apropos Notenpult: Auch da scheinen die Tage des analogen Papierformats angezählt. Zwei Tablets lieferten den Notentext, erzählten zunächst einen kleinen Vorspann zum Thema „Kampf mit der Technik“, machten aber letztlich Blättern per Fingertipp möglich. Praktisch. Und doch ein Stückchen Entzauberung, oder? Gezaubert haben indes die in Pirmasens beheimateten, aber mit beträchtlichen überregionalen Wettbewerbs- und Auftrittslorbeeren dekorierten Geschwister Buchmann, die jeder auf sehr persönliche Weise ihren künstlerischen Ort gefunden haben und auch stets gerne im Duo konzertieren. Sie haben beide eine Vielzahl honoriger Mentoren in ihrer Ausbildungsvita, angesehene Preise erzielt und schon reichlich Podien im überregionalen Umfeld bedient. Drei Arrangements aus der Sparte Oper führten im ersten Teil geradezu exemplarisch in die virtuose Standfestigkeit der Protagonisten ein. Die Ouvertüre zu Mozarts „Hochzeit des Figaro“ in einem Arrangement von Max Schulze taugte so recht zum bravourösen Aufmacher und zu prachtvoller Demonstration der Fingerfertigkeit der vier agilen Hände. Erst recht Richard Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre“, die der Meister selbst transkribiert hatte und die die großflächige Orchesterpartitur auf eine kongeniale Weise auf vier Hände bündelte. Nicht zuletzt nötigte sie dem Diskant-Pianisten ein minutenlanges atemloses Perpetuum an aberwitzig rasanten Figurationen ab. Was Steffen Buchmann in geradezu atemberaubender Weise meisterte. Dass sich nicht alles gleichermaßen problemlos in Transkription kleiden lässt, ließ die „Leonoren“-Ouvertüre Nr. 2 von Beethoven (Arrangement Richard Kleinmichel) zumindest ahnen. Obgleich tadellos gespielt, konnte man nicht so ohne Weiteres damit warm werden. Da blieben einfach zu viele der herrlichen Orchesterfarben Beethovens auf der Strecke. Nach der Pause stellte vor allem die sorgsam pianistisch aufbereitete „Carmen-Fantasie“ von Marc Rebrovich nach Motiven von Georges Bizet auf eindrückliche Weise die gestalterischen Fähigkeiten der Protagonisten aus. Da fügten sich klangliche Balance und inspirierter Verve zu subtiler Übereinkunft, wurde überdies ein weites Spektrum an Emotionen, Stimmungen und dynamischer Rhetorik bedient. Die beiden Suiten der Soundtracks zu den Film-Klassikern „Forrest Gump“ und „Der Herr der Ringe“ hatte Steffen Buchmann selbst bearbeitet. Im Kopfkino öffnete sich die Cinemascope-Leinwand prompt in fulminanter Pracht. Hollywood-Sound zum Wohlfühlen, ungetrübtes Herz-Kino und, na ja, für die beiden Tastenakrobaten auf dem Podium nicht minder leicht in Szene zu setzen. Und das machten sie großartig. Zum Abschluss nochmals der Griff ins Klassik-Repertoire: Franz Liszts „Ungarische Rhapsodie Nr. 2“ hat es auf allerlei Transkriptionen gebracht – und nicht nur das: Auch eine jener berühmten Verfolgungsjagden in Walt Disneys Comic-Urgestein „Tom und Jerry“ hat das Stück einst musikalisch bebildert. Die vierhändige Fassung des temperamentvollen Opus jedenfalls elektrisierte die zehn Fingerpaare zwischen elegischem Gefühlsschmacht, subtil ausgeleuchtetem Zwischenhauch und überbordend feuriger Rhythmik zu brillanten Aktionen von rasanter Virtuosität. Am Ende, per Zugabe eines Brahms-Walzers, landete dann übrigens doch noch eine papierne Notenausgabe an ihrem angestammten Platz auf dem Pult. Und zwei Augenpaare schauten analog ins selbe Blatt, während ihre Hände nur scheinbar ein Eigenleben führten …

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