Neustadt Barocke Gourmet-Küche

«Neustadt». Gerhard Löffler, Kantor und Organist an der St. Jacobi-Kirche in Hamburg, reihte sich am Sonntagabend in der gut besetzten Stiftskirche beim letzten Orgelsolo-Konzert des Neustadter Orgelsommers 2018 ein in den Reigen der künstlerischen Spitzeninterpreten, die auf der Bank der Edskes-Orgel schon Platz genommen haben.

„Ein schmuckes Instrument wie in St. Jacobi – nur eben kleiner“ zitierte Stiftskantor Simon Reichert den Gast aus der Hanse-Metropole beim Eingangswort. Und entsprechend zugewandt richtete sich der Künstler im Farbenspiel des kleinen, feinen Instruments ein, entfaltete dabei höchst virtuos seinen vielgestaltigen barocken Programm-Fächer. Der erste Teil widmet sich dabei dem „Magnificat“, dem Lobgesang der Maria, der sich durch unzählige Orgel-Kompositionen zieht. Zwei der berühmtesten sind Bachs „Fuga sopra Magnificat“ (BWV 733) und die vierte Bearbeitung der Schübler’schen Choral-Sammlung, die beide hier erklangen. Bereits rund 50 Jahre zuvor hatte der Franzose Jehan Titelouze sein „Magnificat im VI. Ton“ sehr streng an den durchaus dramatisch durchwirkten Versen entlangkomponiert. Die schlichte Bearbeitung des Volkslieds „Maria zart von edler Art“ von Arnolt Schlick, einem Renaissance-Meister in Diensten der Heidelberger Kurfürsten und nachweislich 1516 auch einmal an der Neustadter Stiftkirche tätig – bildete einen apart filigranen Kontrast zum kühn, im Stile einer freien Fantasie konzipierten „Magnificat primi toni“ (BuxWV 203) von Dietrich Buxtehude. Gerhard Löffler ist ein Souverän an der Taste und am Pedal. Vor allem aber ist er ganz offensichtlich ein von Klangfarben in all ihren Facetten und Schattenwürfen beseelter Interpret. Einer, der auch die Zwischentöne, die Atemzeichen, das Innehalten und ebenso das verwegen Fortstürmende noch geistvoll konturiert, mit Geschmack und Liebe zur Nuance koloriert. Einer, der temperamentvoll agiert, aber den Puls der Komposition stets unspektakulär mitatmet. Nach der Pause offerierte er „Heimat“-Kost. Wobei die barocke Norddeutsche Orgelschule ja schon an sich ein Markenzeichen ist und eine ganze Reihe bedeutender Komponisten hervorgebracht hat. Franz Tunder, Matthias Weckmann etwa und auch Jan Pieterszoon Sweelinck, der gerne als Erfinder des Orgelkonzerts schlechthin zitiert wird. Von ihm interpretierte Löffler die zauberhafte „Echofantasie in a“, effektvoll in der aparten Korrespondenz von leuchtend kraftvollen Zungen-Registern mit samtigem Nachhall von Holz- und Streichern. Bachs Präludium und Fuge a-Moll passte gleich in doppelter Hinsicht prachtvoll in diese Reihe. Hatte sich der spätere Thomas-Kantor doch 1720, unzufrieden mit der Köthener Anstellung, für die Hamburger Jacobi-Kirche beworben. Musste jedoch nach erfolgreichem Probespiel passen, da er nicht in der Lage war, das damals übliche „Eintrittsgeld“ für eine solche Stelle aufzubringen. Buxtehude schließlich, Meister jener aus fugalen Fortspinnungen, fabulierenden Episoden von opulent figurativem Charakter und wiederum ausladenden Tonfolgen fantasiereich gefügten Toccaten, setzte mit „Toccata in F“ (BuxWV 156) das Ausrufezeichen hinter Löfflers künstlerisch brillant und höchst feinnervig gestalteten Ausflug in den Olymp norddeutscher Orgelkunst. Aber auch binnendeutsche Strenge liebt zuweilen das südliche Temperament. Bachs Begeisterung etwa fürs Mediterrane schlug sich in einer Vielzahl von Orgel-Bearbeitungen Vivaldi’scher Concerti nieder. Den wunderbar innig ausgeleuchteten Andante-Satz eines solchen Violinkonzerts gab’s als vielbejubelte Dreingabe.

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