Ludwigshafen Zu den Wolken und zum Meer

„Eine Reise aus der Enge des Alltags in die Weite“: Corinna Harfouch und Karl Kranzkowski in Kerstin Poltes erstem Spielfilm.
»Eine Reise aus der Enge des Alltags in die Weite«: Corinna Harfouch und Karl Kranzkowski in Kerstin Poltes erstem Spielfilm.

„Ich fühle mich unglaublich geehrt“, bekennt Regisseurin Kerstin Polte, deren phantasievolle Tragikomödie „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ das 14. Festival des deutschen Films auf der Ludwigshafener Parkinsel eröffnet.

„Ich habe an der Hochschule Karlsruhe in der Filmklasse von Didi Danquart studiert“, erzählt Kerstin Polte. „Lustigerweise hat damals einer seiner Filme, `Offset`, das Festival in Ludwigshafen eröffnet.“ So habe sie 2006 das Festival kennen- und lieben gelernt und insgeheim schon damals den Wunsch gehegt, eines Tages hier einen eigenen Film vorzustellen. „Jetzt freue ich mich enorm, dass dieser Traum schon mit meinem Debütfilm in Erfüllung geht, und dann auch noch ebenfalls als Festivaleröffnung. Was gibt es Schöneres?!“ Kerstin Polte, 1975 in Wiesbaden geboren, ging nach ihrer Schulzeit zuerst nach Kanada, um in Québec Theater, Film und Literatur zu studieren. Zurück in Europa, lernte sie bei Danquart und an der Zürcher Hochschule der Künste. Parallel zum Studium arbeitete sie als Redakteurin und Regisseurin acht Jahre lang für die SWR-Jugendprogramme in Baden-Baden. „In dieser Zeit war ich beruflich viel in Ludwigshafen, Heidelberg und besonders in Mannheim unterwegs“, erinnert sie sich. Im Zwinger in Heidelberg inszenierte sie 2005 zusammen mit Bettina Bruinier und Marie Enzler das Stück „Calling Patty Hearst“, in dem es um die Entführung der Enkeltochter des Medien-Tycoons William Randolph Hearst ging. Nach ein paar Kurzfilmen drehte sie die Dokumentation „Kein Zickenfox“ über das Frauenblasorchester Berlin, mit 65 Musikerinnen das größte seiner Art. „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ ist ihr erster abendfüllender Spielfilm. „Die Geschichte ist letztlich eine Reise meiner Figuren aus der Enge ihres Alltags, von der eingeklemmten Drehtür am Anfang hin in die Weite, zu den Wolken und zum Meer, wo sie endlich wieder atmen können“, erklärt Kerstin Polte, die auch das Drehbuch geschrieben hat. „Es geht um eine Familie, die sich erst mal verlieren muss, um wieder zueinander zu finden.“ Da ist Charlotte, gespielt von Corinna Harfouch, die in letzter Zeit mehr vergisst, als sie erlebt. „Warum soll ich verschwinden, wenn ich gar nicht da war?“ fragt sie im Alter und beschließt, nun wenigstens jenen Rest des Lebens, der ihr noch bleibt, zu genießen. Wie einen Hund lässt sie ihren Mann Paul (Karl Kranzkowski) an einem Autobahnrastplatz zurück und startet mit ihrer Enkelin Jo in Richtung Meer. Paul und Jos Mutter Alex (Meret Becker) folgen ihnen, bis sie alle auf einer kleinen Insel stranden, auf der Gott in einem Leuchtturm lebt, den Seelenfunk abhört und sich unendlich langweilt. „Kein Mensch versucht mehr, sein Schicksal auszutricksen oder mit mir um die Wette zu laufen“, bedauert er. Den Schöpfer, der hier den Namen Horster trägt, spielt Bruno Cathomas, der noch bis vor wenigen Wochen bei den Nibelungenfestspielen in Worms der bucklige König Siegmund war. „Ich wollte, dass meine Zuschauer spüren, dass es sich immer lohnt, mit seinem Schicksal um die Wette zu rennen, selbst wenn man letztendlich verliert“, erläutert Kerstin Polte eine Botschaft ihres sommerlichen Films. Während ihres Studiums in Zürich, ergänzt sie, sei bei ihrem Vater eine schwere Krankheit diagnostiziert worden. Das habe dazu geführt, dass sie selbst angefangen habe, die Momente in ihrer Einzigartigkeit intensiver wahrzunehmen und zu genießen. „Als Familie sind wir näher zusammengerückt“, berichtet sie. „Es kam mir sogar manchmal so vor, als würden wir uns nochmal ganz neu kennen- und berühren lernen. Wir waren fast in einer Aufbruchstimmung.“ Allzu oft würden es die Menschen versäumen, ihr Leben zu genießen, „auch mal kreuz und quer zu leben“, wie Kerstin Polte sagt. „Wir verschieben unsere Abenteuer und Sehnsüchte auf morgen, und wenn das Morgen endlich kommt, macht das Leben allzu häufig einen Strich durch die Rechnung.“ „Zur Eröffnung bringe ich tolle Frauen mit“, verspricht sie. „Denn bei dem Film gab es nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera ein wunderbares Frauenensemble.“ So haben sich noch die Kamerafrau Anina Gmür, die Kostümbildnerin Tanja Liebermann, Meret Becker und Annalee Ranft, die Darstellerin der kleinen Jo, angekündigt. Termine Eröffnung und Filmvorführungen heute um 19 Uhr in den Festivalkinos 1 und 2. Im Anschluss findet um 21.15 Uhr ein Gespräch mit der Regisseurin und mit Mitwirkenden an dem Film statt.

Kerstin Polte fordert dazu auf, das Leben zu genießen.
Kerstin Polte fordert dazu auf, das Leben zu genießen.
x