Ludwigshafen Winzige Fußabdrücke zur Erinnerung

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Jacqueline Pieper schickt Sterne auf die Reise. Die Familie Pieper trauert um zwei Sternenkinder.

Sie heißen Sternenkinder: Kinder, die tot geboren werden oder kurz nach der Geburt sterben. Der Verein „Sternengeflüster“ kümmert sich um die Eltern von Sternenkindern und setzt sich dafür ein, das Thema öffentlicher und bewusster zu machen. Seit Kurzem bieten die Vereinsmitglieder an, 3-D-Hand- und Fußabdrücke der Sternenkinder zur Erinnerung anzufertigen – kostenlos für die Eltern.

Laut Statistik werden in Deutschland bei 1000 Geburten 2,4 Kinder tot geboren. Im Perinatalzentrum des Ludwigshafener St. Marienkrankenhaus waren es 2017 bei 1738 Kindern zehn Totgeburten, also Kinder über 500 Gramm in verschiedenen Schwangerschaftswochen. Bei einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm spricht man von Fehlgeburten – diese gab es im „Marien“ im vergangenen Jahr zwölf Mal. Während es schon seit Längerem eine bundesweite Initiative von Fotografen gibt, die direkt nach der stillen Geburt – so der Fachbegriff für die Geburt toter Kinder – ins Krankenhaus kommen und Fotos von den Kindern machen, sind Hand- und Fußabdrücke ein neues Angebot, das bei der Bewältigung der Trauer helfen und an die toten Kinder erinnern soll.

Hand- und Fußabdrücke aus Gips

„Mein Sohn Paul war das erste Kind deutschlandweit, von dem die Abdrücke genommen wurden“, sagt „Sternengeflüster“-Mitglied Stephanie Weißenburger und erzählt ihre Geschichte: Paul wurde in der 19. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 220 Gramm geboren. „Wir wollten eine Bestattung und haben ihn auch selbst mitgenommen“, berichtet sie. Denn auch bei einem Geburtsgewicht von weniger als 500 Gramm sei eine Bestattung möglich. Möglichkeiten, von denen viele Betroffene nichts wüssten und über die in den Geburtskliniken häufig nicht aufgeklärt werde. Noch am selben Tag traf sich die Familie beim Bestatter zu einem Abschiedstreffen. In einem Sandförmchen wurde die Abdruckmasse angerührt. Dazu wird Alginat aus der Zahntechnik verwendet – eine weiche Masse, die die Haut nicht verletzt. Die Hände und Füße wurden eingeölt und dann vorsichtig in die Masse getaucht. „Wir hatten schon Angst, ob etwas mit der Haut passiert“, erinnert sich die 29-Jährige. Doch alles habe geklappt. Die Abdrücke wurden später mit Gips ausgegossen und sind heute für die Wormserin „unbezahlbar“. „Das war ein gemeinsames und schönes Ereignis. Wir haben nicht geweint, wir haben das als Familie gemacht und es genossen“, erzählt sie.

"Erinnerung lässt einen nie ganz los"

Seit März bieten die Vereinsmitglieder betroffenen Eltern an, 3-D-Abdrücke anzufertigen. Knapp zehn Ehrenamtliche stehen in der Region bereit, um bei Bedarf zu den Familien zu fahren. Die Terminabstimmung findet über eine WhatsApp-Gruppe statt. „Wenn wir die Abdrücke dann überreichen, wissen wir, dass es richtig ist, was wir tun“, berichtet Jacqueline Pieper. Sie ist selbst zweifache Sternenmutter. „Meine beiden Sternenkinder Leon und Celine gehören für mich einfach zur Familie dazu“, sagt die 32-Jährige. Bei ihren stillen Geburten gab es die Möglichkeit der Abdrücke noch nicht. Dafür hat sie eine andere Form der Erinnerung gefunden – ein Fotograf hat ein Familienbild gefertigt, auf dem die beiden totgeborenen Kinder neben den beiden „Folgewundern“, den 2012 und 2016 gesund geborenen Kindern, als helle Schatten zu sehen sind. „Die Erinnerung lässt einen nie ganz los“, weiß die Wormserin.

Verein wünscht sich sensibleren Umgang mit Betroffenen

Die Vereinsmitglieder wollen ihr Angebot allen betroffenen Eltern in der Region zugänglich machen. Momentan verteilen sie Flyer in den Geburtskliniken der Region – und stoßen dabei oft auf Ablehnung. „Die Krankenhäuser haben das Gefühl, dass die Eltern von den Angeboten überfordert sind“, schildert Stephanie Weißenburger ihren Eindruck. Doch den Vereinsmitgliedern ist es wichtig, dass die Eltern über die Möglichkeiten nach einer stillen Geburt informiert sind, um dann selbst entscheiden zu können, wie sie sich von ihrem Kind verabschieden und welche Angebote sie nutzen möchten. Die Vereinsmitglieder setzen sich außerdem dafür ein, dass mit den betroffenen Familien in den Geburtskliniken sensibler umgegangen wird. „Oft wird das tote Kind sofort weggebracht. Man darf es aber bei sich behalten, um Abschied zu nehmen“, berichtet Vereinsmitglied Melanie Böttger (31). Noch Fragen? Weitere Informationen gibt es im Netz: www.sternen-gefluester.de.

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Jacqueline Pieper, Melanie Böttger und Stephanie Weißenburger geben ihre Erfahrungen an andere betroffene Eltern weiter.
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