Ludwigshafen Wie Ludwigshafen den Erdbebenopfern in der Türkei helfen will

Eine Frau räumt Trümmer von einem zerstörten Gebäude in Gaziantep, während sie mit Notfallteams nach verschütteten Menschen such
Eine Frau räumt Trümmer von einem zerstörten Gebäude in Gaziantep, während sie mit Notfallteams nach verschütteten Menschen sucht.

Am dritten Tag nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien wehen nicht nur die Trauerflaggen an allen öffentlichen Gebäuden in Ludwigshafen. Auch Menschen und Material sind auf dem Weg ins Krisengebiet rund um die Partnerstadt Gaziantep.

Der Unternehmer Frank Hirsch aus Ruchheim und der Feuerwehrmann und international erfahrene Krisenhelfer Murat Isik haben nicht viel Zeit gebraucht, um Hilfe für die Erdbebenregion zu organisieren. Hirsch ist Geschäftsführer des Logistikunternehmens HCL. „Wir sind schon im Thema drin“, berichtete er bei einem Pressegespräch der Stadtverwaltung am Donnerstagmorgen. Seine Firma bereite fünf Hilfscontainer vor, die die Firma Contargo zur Verfügung gestellt habe und die zunächst per Bahn nach Istanbul transportiert werden sollen. Der Logistik-Spezialist hofft, dass die Hilfsgüter am kommenden Mittwoch in der Krisenregion eintreffen und direkt an die Menschen verteilt werden können, die nach der Naturkatastrophe mitten im eiskalten Winter auf alles angewiesen sind: Obdach, Kleidung, Nahrung und Wärme. Die Container sollen im Anschluss in der Türkei bleiben und als Lager und Unterkunft genutzt werden.

Der Ludwigshafener Feuerwehrmann Murat Isik, der mit seinem Verein „Help me“ auch international unterwegs ist, wird nach Angaben von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) freigestellt, um nach Gaziantep zu reisen und vor Ort zu helfen. Er komme bei dem dortigen Feuerwehrchef unter und werde am Wochenende mit einem Team in die Türkei fliegen, berichtete Isik. Ein weiteres Team werde die Stadt Malatya ansteuern. Der erfahrene Krisenhelfer will mit seinen Leuten in Ankara Waren einkaufen, diese dann nach Gaziantep und Malatya transportieren und dort mithilfe der örtlichen Feuerwehr an Bedürftige verteilen: 60 Zelte, 3000 Decken, Nahrungsmittel und Heizgeräte.

Gefährlicher Einsatz

Er werde fortlaufend aus dem Erdbebengebiet nach Ludwigshafen berichten, kündigte er an. Sein Einsatz ist gefährlich, denn es gebe immer noch Nachbeben und einstürzende Gebäude, erklärte Isik. Die betroffene Region sei sehr groß. „Viele abgelegene Orte und Menschen wurden noch gar nicht erreicht.“

Die Spendenbereitschaft für die Opfer in Ludwigshafens Partnerstadt Gaziantep sei sehr groß, sagte Hans-Uwe Daumann, der Vorsitzende des Freundeskreises, der im Jahr 2010 gegründet wurde. Rund 33.000 Euro seien bis Donnerstagmorgen auf das Konto des Vereins eingegangen. „Wir wollen mit diesem Geld schnell helfen, haben einen direkten Draht in die betroffene Region“, betonte der Stadtrat. Der Grünen-Politiker appellierte an die Ludwigshafener, auch weiterhin Geld zu spenden und keine privaten Hilfsgütersammlungen zu organisieren. Denn die Hilfsgüter müssten den Richtlinien zur Einfuhr von Waren in die Türkei entsprechen.

Hoffnung auf Erleichterungen bei der Ausreise

Weiter berichtete Daumann, dass Ibrahim Yetkin und Baris Yilmaz, beide im Vorstand des Freundeskreises, Angehörige im Krisengebiet hätten und damit direkt von dem Unglück betroffen seien. Das geht OB Steinruck zufolge vielen türkischstämmigen Menschen in der Chemiestadt ähnlich. Steinruck zeigte sich erschüttert über die von Tag zu Tag weiter steigenden Opferzahlen. „Die Betroffenheit in Ludwigshafen ist groß“, sagte die 60-Jährige. Viele Bürger wollten nun spontan vor Ort in Gaziantep helfen oder Verwandte und Freunde in Ludwigshafen aufnehmen, hat sie festgestellt.

Dazu erklärte Ordnungsdezernent Andreas Schwarz (SPD) mit Blick auf die Ein- und Ausreisemöglichkeiten: „Wir bewegen uns im Bundesrecht, sind im Kontakt mit dem Integrationsministerium und hoffen auf Erleichterungen abseits der regulären Wege.“ Reisen von Deutschland in die Türkei seien für Menschen mit unbefristeten Aufenthaltstiteln problemlos möglich. Für Reisen von der Türkei nach Deutschland bestehe dagegen eine Visumspflicht. Daher müssten sich Reisewillige in der Türkei zunächst an das Deutsche Konsulat wenden. Das Prozedere bis zur Genehmigung dauere im Normalfall mehrere Wochen, bedauerte Schwarz. „Wir hoffen auf Erleichterungen und Erweiterungen.“ Steinruck ergänzte: „Das liegt nicht alles in unseren Händen.“

„Chaos in der Stadt“

In engem Kontakt zu seinem Amtskollegen in Gaziantep steht derzeit Marcel Jurkat, der bei der Stadtverwaltung für Repräsentation und Städtepartnerschaften zuständig ist. Außerdem steht Jurkat im Austausch mit der Stadt Duisburg, ebenfalls eine Partnerstadt von Gaziantep. Wie Jurkat berichtete, registrierte er am Montag in aller Frühe die ersten Nachrichten vom Erdbeben und tausche sich seither mit Ansprechpartnern in Gaziantep aus. Am Vormittag seien zunächst die Internetverbindungen zusammengebrochen gewesen. Ein erstes Lebenszeichen habe er um 11.44 Uhr erhalten: Es herrsche Chaos in der Stadt, hieß es. Seither hat Jurkat fünf Telefonate geführt und unzählige Textnachrichten ausgetauscht. Zudem habe die Ludwigshafener Stadtverwaltung eine offizielle Kondolenznote verschickt.

Die Brücke nach Gaziantep steht.

Noch Fragen?

Geldspenden werden weiterhin dringend benötigt: Freundeskreis Ludwigshafen-Gaziantep, Stichwort Erdbeben, DE67 5455 0010 0191 2849 34 bei der Sparkasse Vorderpfalz; Verein „Help me“, Stichwort Türkei, DE91 6709 0000 0093 5502 00, VR Bank Rhein-Neckar.

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