Ludwigshafen Wie Lu im „Tatort“ rüberkommt
Das Intro ist schon legendär. Die spannungsgeladenen Bläserklänge, Augenpaare in Charles-Bronson-mäßiger Großaufnahme, gefolgt von einer soul-funkigen Titelmelodie. Es ist ein all-sonntägliches Ritual. Ob Zuhause, oder in Studentenkneipen: Seit über 50 Jahren fiebert Fernsehdeutschland mit den Kommissaren mit. Der Tatort ist Kult, und auch Ludwigshafen ist seit über 30 Jahren im TV-Fadenkreuz. Wie aber wird die Chemiestadt in der ewigen Krimi-Reihe eigentlich dargestellt?
In der letzten LU-Folge „Hetzjagd“ sehen die Zuschauer zu Beginn die Sonne über der Hochstraße aufgehen. Die Kamera fliegt über die Konrad-Adenauer-Brücke und am Mosch-Hochhaus am Berliner Platz vorbei. Im Hintergrund ist sogar der Donnersberg zu erkennen. Dann aber sieht man die Ermittlerinnen Lena Odenthal und Kollegin Johanna Stern nur noch das Rheinufer hoch und runter fahren, scheint sich Ludwigshafen ganz auf Industrie und Fluss zu beschränken. Einmal geht’s nach Mannheim, einmal in eine schicke Villa an einem Hang mit Weitblick. Aber nur „Einheimische“ fragen sich wohl, wo dieser Hügel in der flachen BASF-Metropole eigentlich sein könnte.
Hauptdrehort ist Baden-Baden
Die Kritik ist fast so alt wie der Ludwigshafener Tatort selbst. Außer den eingestreuten Hafen- und Hochstraßen-Einblendungen sei wenig von der Stadt zu sehen. Gedreht werde fast nur in Baden-Baden. Dort ist das fiktive Polizeipräsidium aufgebaut, in dem übrigens auch die Fernseh-Kommissare aus Stuttgart und Freiburg ihre Mordfälle aufklären.
„Zu wenige Szenen spielen in Ludwigshafen. Insbesondere Szenen mit Charme werden eher in Baden-Baden oder in der Nähe von Karlsruhe gedreht. Von unserer Stadt werden eher die Problemstellen gezeigt. Hafen und chemische Industrie dienen bestenfalls als Hintergrund“, sagt Markus Lemberger von der Ludwigshafener Stadtmarketinggesellschaft Lukom. Am Montag nach der Ausstrahlung sei der LU-Tatort natürlich Gesprächsthema bei der Arbeit. Man sei durchaus stolz darauf, mit Lena Odenthal (seit 1989 gespielt von Ulrike Folkerts) die dienstälteste Tatort-Kommissarin zu haben. „Montags sind aber eher die Schwächen des Drehbuchs Thema an der Büro-Kaffeemaschine. Oder die Frage, wer welche Orte erkannt hat“, verrät Lemberger, der sich als großer Tatort-Fan bezeichnet, aber eher die Episoden aus Dortmund und Münster favorisiert.
Auch authentische Drehorte
Die Tatort-Regie hat solche Beschwerden aber auch schon beherzigt. 2017 wirkten für die Folge „Babbeldasch“ Theaterschauspieler der Hemshofschachtel mit. Auf geschriebene Dialoge wurde verzichtet, stattdessen auf Improvisation gesetzt – und überwiegend im Stadtteil Hemshof gedreht. Ein Spielplatz, eine Bäckerei oder der Waldfriedhof in Friesenheim wurden in Szene gesetzt. Bei der 2020 erschienen Folge „Leonessa“ bildeten die Pfingstweide und Oggersheim-West mit ihren Hochhäusern die Kulisse. Es gibt also durchaus authentische Drehorte, die in Ludwigshafen genutzt werden.
„Wir verbringen mittlerweile zirka fünf Drehtage in Ludwigshafen, und drehen dort vor allem markante Außenmotive: Rheinbrücken, Hochstraße, Hafengebiet, Rhein-Galerie, Fußgängerzone, Rathaus“, erläutert Tatort-Redaktionsleiter Ulrich Herrmann vom SWR. Auch Laiendarsteller kämen zum Einsatz, um das sprachliche Kolorit im Ludwigshafen-Tatort zu stärken. „Die Schauspieler schätzen Ludwigshafen als eine sehr ehrliche, vitale Stadt, mit einem rauen, schönen Charme, geprägt natürlich durch den chemischen Industriegiganten BASF. Für unsere Hauptdarstellerin Ulrike Folkerts ist die Stadt zu einer filmischen Heimat geworden. Ein toller, ungebrochener Krimi-Ort, auch nach 30 Jahren, für den inzwischen ältesten Leuchtturm-Tatort der ARD“, sagt Herrmann.
Kaum Kontakt mit echter Polizei
Mit der „echten Polizei“ habe es noch keinen Kontakt gegeben. „Aber manchmal werden Dreharbeiten angemeldet, wenn diese einen Einsatz auslösen könnten. Zum Beispiel wenn beim Dreh Schüsse abgegeben oder Straßensperrungen vorgenommen werden“, erklärt Polizei-Pressesprecherin Ghislaine Werst. Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Auf der Straße habe noch nie jemand nach Kommissarin Odenthal gefragt. „Da es sich beim Tatort um Kriminalgeschichten handelt, haben diese nicht den Anspruch, dass sich Polizisten realistisch dargestellt fühlen. Sie sollen den Zuschauer unterhalten“, findet Hauptkommissarin Werst.
Das Stadtmarketing aber würde sich etwas mehr LU-Realismus wünschen. „Es gäbe eine fantastische Chance zum „Film im Film mit einer Szene auf dem Deutschen Filmfestival auf der Parkinsel. Leider gibt es daran aber kein Interesse“, bedauert Lemberger. Vielleicht aber ist der Reiz, die Original-Schauplätze aufzuspüren und wiederzuerkennen, beim Publikum gar nicht so groß. Merchandising oder spezielle Touren im Zusammenhang mit der Krimi-Reihe gebe es nicht, auch keine Nachfrage danach bei der Tourist-Information am Berliner Platz. Der Tatort ist zwar Kult, doch dieser Brauch endet meist dort, wo er beginnt. Auf der Couch, vor dem Fernseher. Egal, ob in München, Münster oder Ludwigshafen.