Ludwigshafen „Wie Baden-Baden ohne Russen“

Viele Jahre hat sich das Theater im Pfalzbau bemüht, Django Asül für die Festwoche Türkei nach Ludwigshafen zu holen. In diesem Jahr nun ist es endlich gelungen, den Kabarettisten als Hauptattraktion des Festivals zu engagieren. Nur die scharenweise erwarteten türkischen Fans sind bei dem Auftritt des niederbayrischen Kabarettisten mit türkischen Wurzeln ausgeblieben. Dafür kamen desto mehr Deutsche.

Zum ersten Mal in seinem Leben sei er „durch die ganze Altstadt“ Ludwigshafens gegangen. „Das Mondäne“ des früheren Römerkastells habe ihn unglaublich angesprochen. Deswegen sage man wohl auch, Ludwigshafen sei wie Baden-Baden, „nur ohne Russen“. Und durch die BASF sei die Stadt „auch sehr ökologisch angehaucht“. In einem Atemzug nennt Django Asül dann Ernst Bloch, Helmut Kohl und Daniela Katzenberger, um seinen Eindruck von einer „Stadt der Dichter und Denker“ zu belegen. Der im niederbayerischen Deggersdorf geborene und in Hengersberg aufgewachsene Kabarettist hat sich hier also sofort „wie daheim“ gefühlt. Denn „Ludwigshafen ist für Bayern, was die Krim für Putin ist“. Gleich Django Asüls Einstieg auf der nur mit einem Stuhl und einem Tisch bestückten Theaterbühne hatte ein paar sich durch den ganzen Auftritt ziehende Merkmale: eine rasche Einstellung auf Ort und Publikum; kurzfristige Aktualisierungen, denn mit seinem Programm „Paradigma“ ist Django Asül schon seit 2012 unterwegs; witzige Vergleiche wie der zwischen Baden-Baden und Ludwigshafen; ironische Verkehrungen, die bis zur satirischen und karikaturhaften Verzerrung gehen können. Django Asül ist selbst ein solch karikaturhafter Widerspruch auf zwei Beinen. Denn wo findet sich schon ein astreines uriges Bayerisch sprechender Türke? Und dann der Name, den sich der als Uğur Bağılayıcı geborene Künstler zugelegt hat: Django, das klingt nach dem Rächer aller Witwen und Waisen, Asül nach einem heimatlosen Bittsteller. Vielleicht ist es dieser zweite, weniger heldenhafte Aspekt, der einer Identifikation vieler Türken mit ihrem Landsmann im Wege steht. Vielleicht setzt auch einfach der bayerische Dialekt dem Verständnis Grenzen. Oder Django Asül ist dem Land seiner Väter schon zu entfremdet. Denn dem türkischen Premierminister Erdoğan würde er am liebsten ein Einreiseverbot erteilen. Einmal im Jahr komme der „Chef von den Türken“ nämlich nach Deutschland und fordere seine Landsleute in einer demagogischen Rede auf: „Integriert euch nicht!“ Wie auch immer, ausverkauft war der Theatersaal jedenfalls nicht. Etliche Plätze wären für türkischstämmige Besucher, die nur vereinzelt erschienen waren, noch frei gewesen. Die vielen deutschen Zuschauer amüsierten sich dafür umso mehr, wie Django Asül in Jeans und jankerartiger Jacke deutsche und bayerische Politiker durch den Kakao zog: „Was für die Aigner tote Pferde, das sind für die Haderthauer lebende Asylbewerber“ und „Freie Wähler sind wie Piraten ohne Internet“. Django Asül widmete sich ausgiebig dem „Aktionismus“ der Bundesregierung bei der NSA-Affäre, zeigte Verständnis für den früheren Bischof Tebartz-van Elst und schoss sich auf Berlins Bürgermeister Wowereit und das Flughafen-Debakel ein. Selbstverständlich nahm der bayerische Ministerpräsident einen prominenten Platz im Programm ein: „Ich soll Sie von Horst Seehofer grüßen. Wir tauschen immer die Texte aus, so haben wir beide etwas zu lachen.“ Zwischendurch spielte er sehr amüsant einen betrunkenen bayerischen Stammtischbruder, schwadronierte über das Verhältnis von Mann und Frau und suchte das Wesen des Deutschen zu ergründen: „Ich habe schon eine hellere Augenfarbe, seit ich einen deutschen Ausweis habe.“ Django Asül bedankte sich für den schönen Abend mit seinen neuen Stammesbrüdern und -schwestern und gab eine originelle Zugabe. Ohne den Applaus auch nur abzuwarten, machte er seinen Zuschauern deutlich, wie vergeblich es wäre, auf eine Zugabe zu warten. Die „sinnlose Hin- und Herrennerei“ schenke er sich.

x