Ludwigshafen Wenn Hillary Clinton mit Yoko Ono geschlafen hätte
Niemand kann genau sagen, wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird, doch acht Künstlergruppen wagen beim Theaterfestival „Schwindelfrei“ in Mannheim einen Ausblick. Was passiert, wenn Künstler durch Tanz-Androiden ersetzt werden? Oder wenn man versucht, die Vergangenheit zu ändern, um eine neue Zukunft zu bekommen? Diese Fragen beantwortet der erste von zwei Theaterparcours des Festivals.
Alle zwei Jahre findet „Schwindelfrei“ statt. Das mehrtägige Festival gibt regionalen und internationalen Künstlern der freien Szene eine Plattform. „Facing 2066“ hatte Kuratorin Sophia Stepf diesmal als Motto ausgegeben. Mit Tanz, Theater, Performance und Installation lassen acht Künstlergruppen ihre Version von einer nicht allzu fernen Zukunft Wirklichkeit werden. Auf zwei verschiedenen Theaterparcours mit je vier Produktionen von zirka 20 Minuten Länge wandeln die Gäste durch die Neckarstadt, die Spielorte sind geheim. Treffpunkt für die Parcours ist das Einraumhaus am Alten Messplatz. Dort findet auch ein großer Teil des Festivalrahmenprogramms statt. Es hat etwas von Schulausflug-Atmosphäre, wie die Theaterreiseleiter ihrer Gruppen zu den Spielort führen: Alle zusammenbleiben und gemeinsam über die Ampel gehen. Parcours Eins führt von Bangalore über Mannheim nach Melbourne. Die indische Regisseurin Sharanya Ramprakash hat Menschen in Bangalore gefragt, wie sie sich das Jahr 2066 vorstellen. Es sind interessante Sichtweisen, beispielsweise wenn Uhrmacher Bhumpat Patel überlegt, ob man dann Zeit kaufen könnte. Aus dem Film- wird ein Performance-Erlebnis, als Sharanya Ramprakash und ihr Schauspielkollege Swetanshu Bora die Bühne betreten und eine Art Dialog mit den Interviewten starten. Dabei stellen sie allerdings weniger die Zukunft infrage als die Gegenwart. Dann werden die Gäste selbst Teil der Performance und damit der Zukunft. 2066 gibt es zwar keinen Krieg, keine Schmerzen und keinen Hunger mehr, aber Kunst ist unökonomisch und verboten. Theater findet nur heimlich im Untergrund statt. Möglichst unauffällig geht es deshalb zum nächsten Spielort. „R+J.2066“, eine Zusammenarbeit der Mannheimer Künstlerkollektive Barth & Schneider und Sternx2 zeigt, wie Theater in 50 Jahren aussehen könnte. „Romeo und Julia“ wird dann immer noch gespielt, doch das Theater verzichtet auf jede Körperlichkeit. Die Zuschauer müssen Brillen aufsetzen und sehen bestimmte Bilder. Eine Stimme, die immer künstlicher klingt, zitiert aus Shakespeares Text. Auch der Zuschauer wird so seiner Körperlichkeit beraubt. Es ist kein angenehmes Theatererlebnis, aber ein durchaus denkbarer Blick in die Zukunft. Die Existenz der Körperlichkeit – und zwar der menschlichen im Gegensatz zu einer maschinellen – ist für das Tanztheater „Selene 6.6“ von Peter Hinz und Julie Pécard aus Mannheim ausschlaggebend. Bei Selene handelt es sich um einen hoch technisierten Tanzroboter, den Performancekünstler Vam gekauft hat. Doch die ersehnte perfekte Symbiose zwischen Künstler und Roboter will sich nicht einstellen. In die Vergangenheit zu reisen, um die Zukunft zu verändern – das ist keine neue Idee. Aber Hillary Clinton radikalisieren zu wollen, indem man sie mit Yoko Ono verkuppelt, diese Idee hatte noch keiner. Das ist der Plan in „Spooky Action at a Distance“ der australischen Künstlergruppe Aphids mit Willoh Weiland und James Brennan. Zwischen Re-enactment und Installation beschwören sie eine überaus skurrile Utopie herauf. Termin Parcours 1 und 2: Heute um 18 und 20.30 Uhr, morgen um 17 und 19.30 Uhr. Treffpunkt ist am Einraumhaus am Alten Messplatz. in Mannheim, Infos im Netz: www.schwindelfrei-mannheim.de