Wochenspiegel Von großen und kleinen Gesten

Ein himmlisches Vergnügen.
Ein himmlisches Vergnügen.

Ehrenbürger I: Die Bloch-Episode

Es war die Stadtratssitzung am 8. Juni 1970. Auf der Tagesordnung stand die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Ernst Bloch. Es gab eine kontroverse Debatte, seitens der CDU war die Kritik wegen der ideologischen Einstellung des Philosophen groß. Da meldete sich ein Stadtrat zu Wort und meinte: „Herr Oberbürgermeister, (…), ich will es vorweg sagen, damit das hier klar ist: Ich werde für diese Ehrenbürgerschaft stimmen.“ Auch er sei nicht frei von Bedenken, aber der Respekt vor Blochs Lebenswerk überwiege. Der zitierte Stadtrat war kein Geringerer als Helmut Kohl. Später sagte er: „Was ich persönlich an Ernst Bloch respektiere, ist, dass er in einem entscheidenden Punkt, Zeit seines Lebens er selbst geblieben ist.“ Er habe stets nach einem gelebten Humanismus gestrebt. Bloch dankte ihm dafür – trotz aller Widersprüche. Mit dieser Episode leitete CDU-Sprecher Peter Uebel am Montag den Antrag seiner Fraktion für die Benennung der geplanten Stadtstraße in Helmut-Kohl-Allee ein. Dafür wälzte er vorab Unterlagen und Protokolle. Veranschaulichen wollte Uebel damit die vielen Facetten, die Kohl ausmachten. „Er wusste, wann die Zeit des politischen Disputs war – und das auch mit aller Schärfe. Aber er wusste auch, wann die Zeit der persönlichen Wertschätzung gekommen war.“ Die erfährt der Altkanzler nun endlich auch im Stadtbild – vier Jahre nach seinem Tod.

Ehrenbürger II: Die Polizei-Episode

Es war die Polizeiinspektion 1 am Abend des 15. Juni 2021: Um 19.30 Uhr erscheint eine 15-Jährige bei der Polizei. Sie hatte ihren Geldbeutel mit 90 Euro verloren. Das Mädchen war untröstlich. Fast zeitgleich betritt ein 22-Jähriger die Dienststelle. Sein Anliegen: Er möchte ein Fundstück abgeben. Sie ahnen es: Es war das Portemonnaie der 15-Jährigen, das sie unter Freudentränen entgegennahm, wie die Polizei berichtet. Das Beste: Es fehlte kein einziger Cent. Respekt: Den ehrlichen Finder küren wir deshalb zum Ehrenbürger der Woche – völlig unideologisch und ohne Stadtratsbeschluss.

Ehrenbürger III: Die Baby-Episode

Es war am Dienstag im Rathaus: Der Ortsbeirat Nord tagte. Zum Star des Abends wurde der Sohn von Ortsvorsteher Osman Gürsoy. Der erst einige Monate alte Erstgeborene schaute mit seiner Mama auf eine Stippvisite vorbei. Das Baby verfolgte brav die Sitzung auf dem Arm. Der kleine Ehrengast interessierte fraktionsübergreifend viele Politikerinnen mehr als die laufende Debatte. Gürsoy eilte zu den Zuschauerplätzen, um seinem Sohn noch ein Bussi zum Abschied zu geben, bevor er sich wieder den Amtsgeschäften widmete. Es gibt eben wichtigere Dinge als Politik.

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