Ludwigshafen Verwirrende Geschichte, unvergessene Schlager

Am Pfalztheater in Kaiserslautern hat die Operette ihren festen Platz im Spielplan. In der laufenden Spielzeit ist mit Eduard Künnekes „Der Vetter aus Dingsda“ ein beliebter Klassiker des Genres dazugekommen. Premiere war im Oktober, nun war die Inszenierung von Reto Lang als Gastspiel im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen zu sehen.

Die „Berliner Operette“ scheint heute fast vergessen. Ihre goldene Ära waren die 1920er Jahre, Eduard Künneke und Paul Abraham die großen Komponisten der Zeit. Ihr Markenzeichen: frivole, alberne und opulente Geschichten gepaart mit transatlantischem Sound. Den Nazis konnte das nicht gefallen, zumal Abraham und viele andere Komponisten Juden waren. Die Aufführung der Werke wurde verboten, die Künstler ins Exil getrieben oder deportiert. Dezidiert unpolitische Stücke nahmen ihren Platz ein und prägen bis heute das Klischee der Operette als seichtes Genres. „Der Vetter aus Dingsda“ von eben jenem Eduard Künneke ereilte ein anderes Schicksal, auch weil er in Deutschland bleiben durfte. Es war sein erfolgreichstes Stück und wurde gleich dreimal verfilmt: 1934, 1953 und 1970. Unvergessen blieben die Schlager „Ich bin nur ein armer Wandergesell“ oder „Nicht wahr, hier ist’s wie im Zauberreich?“. Unvergessen zumindest bei denen, die in den fünfziger Jahren an Weihnachten ihren Fernseher einschalteten. Vornehmlich zu dieser Generation gehörte auch das Publikum des Theaters am Pfalzbau beim Gastspiel des Kaiserslauterer Pfalztheaters. Da raunte es schon, als das Orchester nur die ersten Takte des Wandergesell-Liedes anstimmte, mehrere Zuhörer konnte man beim Mitdirigieren beobachten: Es kamen Erinnerungen hoch. Die Geschichte ist verwirrend: Julia wartet seit sieben Jahren auf Roderich, der ins ferne Batavia entschwunden ist. Ihr Onkel und Vormund fürchtet derweil um sein verschwenderisches Leben, sollte Julia volljährig werden. Er plant deshalb die Hochzeit Julias mit seinem Neffen August, den aber niemand kennt. Alle hecken Heiratspläne aus, doch als gleich zwei fremde Männer im Haus stehen und sich als Roderich ausgeben, ist die Verwirrung komplett. Etwas harmlos ist das schon, wäre da nicht die Musik. Großartig sind die Ensembles, in denen Künneke empfindsame Melodien gegen zackige Märsche schneidet. Bekannt ist der Vetter für seine „amerikanischen“ Tänze: Foxtrott, Onestep, Valse Boston, aber auch ein Tango. Das Orchester des Pfalztheaters unter der Leitung von Rodrigo Tomillo spielte die Musik geradeaus, ohne viel Rubato und Schmelz, für die Operetten gemeinhin bekannt und gefürchtet sind. Das nahm den Tänzen oft den Schwung, ließ aber die Bläsersoli und rhythmischen Vertracktheiten umso leichter durchscheinen. Weil es manchen der Sängerstimmen an Volumen fehlte, musste Tomillo vorsichtig agieren. Sängerisch hervorzuheben waren die Julia der Arlette Meißner, mühelos changierend zwischen dem träumerischen und keck auftrumpfenden Mädchen, und Mirko Janiskas August. Er überzeugte nicht nur mit einem kraftvollen Tenor, sondern auch darstellerisch mit seiner Wandlung vom selbstverliebten zum verliebten Fremden. Überhaupt: Schauspielerisch war der „Vetter“ eine sehr gute Ensembleleistung, allen voran Monika Hügels Hannchen und die beiden Diener. Die Inszenierung bot einen bunten Mix aus Kostümen (Kostümbildner: Marcel Zaba): Petticoat, die Federboa eines Revuegirls und eine in Leopardmuster gewandete Tante. Das war nett anzusehen, ein Sinn hinter der Maskerade erschloss sich aber nicht. Plump waren die Baströcke der Sänger zu „Batavia“, die an diffamierende Illustrationen aus der Kolonialzeit erinnerten. Ansonsten hat sich Regisseur Reto Lang mit einer Interpretation genauso zurückgehalten wie mit allzu viel Klamauk und stattdessen der Musik den Raum überlassen. Die ist unterhaltsam genug. Kein Wunder, dass sie in unseren Köpfen unaufhörlich weitertönt.

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