Ludwigshafen Tina Erlewein: Erfolgreich bei deutschen Hip-Hop-Meisterschaften

Tina Erlewein
Tina Erlewein

Zwei harte Jahre, in denen ihre Existenz auf dem Spiel stand, hat Tina Erlewein hinter sich. Die deutschen Meisterschaften im Hip-Hop Ende Mai bescherten der Ludwigshafener Tanzlehrerin jetzt einen Glücksmoment.

Innerhalb von Sekunden brachen bei der Siegerehrung im Neustadter Saalbau alle Dämme. Ungläubig schüttelte Tina Erlewein immer und immer wieder den Kopf, vergrub ihr Gesicht unter ihren Händen. Erleichterung machte sich breit. „Ein ganzer Erdball lag bis dahin auf meinen Schultern. Ich kannte die Situation in dieser Form nicht, da ich ansonsten eigentlich immer sehr entspannt war“, sagt sie nach dem Titelgewinn der Hip-Hop-Formation „Reloaded“, dem Flaggschiff. Schon zwei Wochen vor den Meisterschaften habe sie kaum noch geschlafen, Tausende von Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

Die Corona-Pandemie – es war eine Zeit, die Tina Erlewein, die Positive, die Berufs-Optimistin, an ihre Grenzen brachte. Als Selbstständige sah sie ihre Felle davonschwimmen. „Wir hatten eineinhalb Jahre Berufsverbot und ganz ehrlich, ohne meine Familie hätte ich die Zeit nicht gepackt“, sagt die 39-Jährige, ein Eigengewächs der Traditionstanzschule Knöller in der Bahnhofstraße. Aufgeben, den Kopf in den Sand stecken, nein, das war für Erlewein keinesfalls eine Option. Dafür liebt sie ihren Job, das Tanzen, viel zu sehr.

„Corona hat meine Existenz bedroht“

Etliche Kündigungen trudelten während der Pandemie ein. Die Hip-Hop-Formationen schmolzen in den Monaten zusammen wie das Eis in der Sonne. Als sie endlich wieder ihrem Hobby nachgehen durften, waren rund 50 Prozent aller Tänzer weggebrochen. „Gerade die Teenies hatten mit sich zu kämpfen und es kostete sehr viel Überzeugungskraft, sie dazu zu bewegen, weiterhin an sich zu glauben und wieder auf die Bühne zurückzukehren“, berichtet Erlewein, deren Lebenstraum zu platzen schien. „Mir ging es wahrscheinlich wie vielen Trainern aus den Tanzschulen da draußen. Corona hat meine Existenz bedroht, viele Tänzer haben gekündigt. Von meinen ursprünglich zehn Formationen haben am Ende fünf überlebt“, berichtet sie.

Tanzen und Hip-Hop: Auftritt einer Gruppe von Tina Erlewein beim Rheinuferfest.
Tanzen und Hip-Hop: Auftritt einer Gruppe von Tina Erlewein beim Rheinuferfest.

Doch Erlewein wäre nicht Erlewein, hätte sie nicht eine Idee gehabt. Sie legte kurzerhand die Formationen verschiedener Tanzschulen zusammen. Doch wenn das nur so einfach gewesen wäre. Die Diplom-Tänzerin bewies einmal mehr ihr pädagogisches Geschick. Ihr gelang es, eine schlagkräftige Truppe aus Tänzern der Tanzschule Knöller aus Ludwigshafen und der Bad Dürkheimer Tanzschule La Danza zu formen. „Teenie trifft auf Erwachsenen, Kind auf Teenie, Anfänger auf Fortgeschrittenen und viele Wünsche, Erwartungen und Bedürfnisse mussten gebündelt und in eine Richtung gelenkt werden“, macht sie deutlich. Für die Dürkheimer bedeutete die Zusammenlegung einen zusätzlichen Aufwand, lag doch die Tanzschule jetzt nicht mehr um die Ecke, sondern eben in Ludwigshafen. Doch das nahmen die Tänzer ohne Murren auf sich.

An fünf Tanzschulen tätig

Erlewein kann man getrost als Künstlerin der Integration bezeichnen. Miteinander statt gegeneinander, ist von jeher ihre Devise. Nicht ohne Grund haben ihre Tänzer das „Team Tina“ kreiert – ein Zusammenschluss von Tänzern verschiedener Tanzschulen, womit die Sportler eines untermauern wollen: „Unsere gemeinsame Leidenschaft ist das Tanzen. Es ist das, was uns verbindet.“ Die Ludwigshafenerin arbeitet derzeit als selbstständige Tanzlehrerin an fünf verschiedenen Tanzschulen – von Alzey über Eisenberg bis nach Bad Dürkheim und Ludwigshafen.

Auftritt einer weiteren Tanzgruppe von Erlewein beim Rheinuferfest.
Auftritt einer weiteren Tanzgruppe von Erlewein beim Rheinuferfest.

Die Trainerin, auch selbst erfolgreiche Tänzerin und Wertungsrichterin, sagt, sie sei keine Freundin des Castingsystems. „Für mich zählen Fleiß, Übung, Disziplin, Loyalität, Respekt und Toleranz. Stark schaut dabei nach Schwach“, nennt sie Werte, die für sie im Trainings- und Wettkampfalltag oberste Priorität haben. „Ich möchte einfach zeigen, dass es jeder mit Einsatz und Wille schaffen kann. Gerade Kinder, die man vielleicht auf den ersten Blick abschreiben würde, sind für mich eine besondere Herausforderung“, erklärt die 39-Jährige, die vor ihrem Tanzstudium ein Berufsakademie-Studium bei einer regionalen Bank absolvierte.

„Reloaded“ gewinnt Titel

Nach monatelanger, schweißtreibender Vorbereitung waren Ende Mai endlich die deutschen Meisterschaften. Die Formation „Reloaded“ hatte in den vergangenen Jahren schon so einige Titel gewonnen und sich weit über die Region durch Auftritte bei der RTL-Show „Das Supertalent“ oder bei der Eröffnungsfeier zur FIFA-Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 in Frankfurt und bei zahlreichen Veranstaltungen in der Stadt einen Namen gemacht. Drei Urgesteine aus dem Gründungsjahr 2009 seien auch heute noch dabei, berichtet Erlewein. Doch nach Corona die Ungewissheit: Auf welchem Leistungsstand ist die Truppe? Wo würden die Tänzer am Ende stehen?

Immer wieder bremste die Pandemie die Formationen in der Vorbereitung aus. Man habe selten vollzählig trainieren können, erklärt die Friesenheimerin. „Ich hatte die Befürchtung, dass es weitere Kündigungen geben wird, wenn es nicht gut läuft“, sagt sie. Doch im Gegenteil: „Reloaded“ gewann den Titel in der Altersklasse Adults, die Junioren-Formation „Headphones“ holte Bronze. In den Solowertungen jubelte Maja Prskalo über Gold bei den Junioren II, Vizemeister wurde Niels Vangine (Junioren I). Dritte Plätze gab es für Chiara Quarz (Juniorinnen II), Moritz Biundo (Kids) und Nico Braddy (Junioren I). Selin Öndin erreichte Platz fünf bei den Junioren II. Zudem gewannen Leoni Illner und Gizem Aydemir den Titel im Duo bei den Adults II. „Es haben alle gesagt, dass es die schönsten Meisterschaften gewesen seien, die sie bisher erlebt haben“, schwärmt Erlewein noch Wochen später von der ganz besonderen Atmosphäre im Neustadter Saalbau. Auch Corona konnte sie und ihr Team zwar bremsen, aber nicht stoppen.

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