Ludwigshafen Termin-Shopping im Handel: Viel Aufwand, wenig Ertrag

Davon träumt der Handel: Kunden, die mit vollen Taschen die Läden verlassen.
Davon träumt der Handel: Kunden, die mit vollen Taschen die Läden verlassen.

Ab 1. März dürfen in Rheinland-Pfalz neben Friseuren auch weitere Läden öffnen, etwa Boutiquen oder Schuhgeschäfte. Das Interesse an dem dann erlaubten „Termin-Shopping“ ist groß, wie zwei Beispiele zeigen. Bei Mode-Schmitt und bei Schuh-Keller hält sich die Begeisterung allerdings sehr in Grenzen.

Telefonisch oder per E-Mail einen Termin vereinbaren und mit genügend Abstand exklusiv bedient und beraten werden – das ist die Idee hinter dem Termin- oder Personal-Shopping: Kaum war am Dienstag die Nachricht über diese kleinere Lockerung draußen, da gingen bei Michael Schmitt vom gleichnamigen Modehaus für Männer bereits fünf Terminanfragen ein. „Wir werden das gerne anbieten, wenn unsere Kunden das wünschen. Es besteht Bedarf, das Telefon hat sofort geklingelt“, berichtet der 54-Jährige – aber mehr als „ein Tropfen auf den heißen Stein“ sei das nicht, relativiert er umgehend. Denn die Verluste der Vormonate, die im sechsstelligen Bereich lägen, seien damit keineswegs aufzufangen. Für ihn ist der Schritt der Landesregierung halbherzig und hat allenfalls symbolischen Charakter. „Ich weiß nicht, was sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer dabei gedacht hat. Ich vermute, das hat mit dem Wahlkampf zu tun“, ärgert sich Michael Schmitt.

Zwischendurch muss gelüftet werden

Er freut sich zwar einerseits, an den beiden Standorten in der Ludwigshafener und in der Speyerer Innenstadt ab 1. März wieder Ware an den Mann bringen zu können. Andererseits sei der Aufwand dafür sehr groß, Stichworte Personal- und Stromkosten. Zumal zwischen den Terminen mindestens 15 Minuten Zeit zum Lüften und Desinfizieren eingeplant werden muss. Und der Ertrag sei vergleichsweise überschaubar, wenn pro Termin maximal die Mitglieder eines Hausstands im Laden bedient werden dürfen.

Bei Schmitt wie auch bei anderen Kollegen der Branche stapelt sich mittlerweile die Sommer- und die Übergangsware. Die Winterware müsse mindestens ein halbes Jahr im Voraus bestellt werden. Der Corona-Kurs der Landesregierung mache eine vernünftige Planung jedoch fast unmöglich. „Mit einem geschlossenen Geschäft können wir nicht planen“, sagt Schmitt.

„Wir sind die Leidtragenden“

Warum nun ausgerechnet Friseure wieder öffnen dürfen und es Supermärkten gestattet sei, alle möglichen Artikel anzubieten, von Klamotten bis zu Elektrogeräten, will ihm nicht einleuchten. „Wir haben in unseren Läden jede Menge Platz: In der Speyerer Maximilianstraße sind es 600 Quadratmeter, in der Ludwigshafener Ludwigstraße sind es 300. Wir können alle Hygieneregeln und Abstandsvorschriften einhalten. Wir haben Desinfektionsspender aufgestellt und Plexiglasscheiben montiert. In Friseurläden ist man viel näher dran an den Menschen als wir das sind“, beklagt Schmitt. „Aber wir sind die Leidtragenden.“ Obwohl der Einzelhandel kein Pandemietreiber sei.

„Es geht um unsere Existenz“

Wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) der Pfalz fordert auch er, allen Geschäften eine Öffnung zu erlauben, die coronakonform an den Start gehen können. „Es geht um unsere Existenz. Wir als Fachgeschäft leben von der persönlichen Kundenberatung. Darauf basiert unser Geschäftsmodell.“ Mit dem Online-Shop „Click and Collect“ allein seien Umsatzeinbußen nicht wettzumachen. Mode-Schmitt mit seinen aktuell zehn Mitarbeitern sei zwar als alteingesessenes Unternehmen – seit 1932 in Speyer, seit 40 Jahren in Ludwigshafen – gut aufgestellt, aber die Corona-Krise sei ein erheblicher Kraftakt, betont Schmitt und fordert: „Wir brauchen dringend eine Öffnung für den Warenfluss.“

Online-Umsatz verdreifacht

„Haufenweise Terminanfragen“ sind einer Mitarbeiterin zufolge zuletzt auch beim Schuhhaus Keller in der Wredestraße eingegangen. Sie klingt fast schon euphorisch, als sie den Telefonhörer an Seniorchef Edmund Keller weiterreicht. Der 90-Jährige, der bereits die Zweitimpfung hinter sich und sie problemlos überstanden hat, ist ein Schwergewicht im Ludwigshafener Einzelhandel. Den entsprechenden Verband führt er seit sechs Jahrzehnten – und um eine klare Meinung ist er nie verlegen.

„Das wäre bescheuert und hirnrissig“

„Es rufen laufend Kunden an, obwohl noch unklar ist, wie viele wir am Ende hereinlassen dürfen“, berichtet er. „Und es ist natürlich ein Unterschied, ob ich einen Laden mit 20 oder – wie bei uns – einen mit 200 Quadratmetern betreibe. Aber wir machen schon mal lustig Termine.“ Sollte man am Ende nur einen Kunden bedienen dürfen, wäre das „ein Blödsinn“, wird Keller deutlich. „Das wäre bescheuert und hirnrissig. Da gibt es keinen passenden Ausdruck dafür. Entweder man lässt die Bude zu oder man macht sie auf.“

Offizielle Informationen dazu habe er noch nicht erhalten. Das sei alles noch im Werden, so sei zumindest sein Gefühl, sagt Keller. Von der Politik sei das „ein erster Schuss ins Blaue“, um die aufgeheizten Gemüter im Handel etwas abzukühlen. „Das ist noch nicht ausgegoren, das ist ein erster Brocken, den man uns hinschmeißt“, mutmaßt er.

In der Krise werde Schuh-Keller wohl „mit einem blauen Auge davonkommen“, schätzt der Seniorchef des in normalen Zeiten 16 bis 18 Mitarbeiter beschäftigenden Hauses, das bundesweit Kunden hat. Denn der Online-Handel floriert. „Das läuft“, sagt Keller. Auch wenn die Retourenquote nicht unbedeutend und mit viel Arbeit verbunden sei, weil das Schuhwerk nicht immer auf Anhieb passe. Dennoch habe sich der Gesamtumsatz online im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht. Das stationäre Geschäft bleibe aber nach wie vor der dominante und umsatzstärkste Bereich, betont Keller.

„Einheitliche Regeln“

Grundsätzlich fordert der Unternehmer einheitliche Regeln auf beiden Rheinseiten. „Dass jetzt schnell etwas gemacht werden muss, damit der Handel da draußen die Schnauze hält“, habe sich die Politik im Prinzip selbst zuzuschreiben. Mit der Öffnungsperspektive für Friseure hätten die Verantwortlichen auch in anderen Branchen Erwartungen geweckt. Sollten die Infektionszahlen nicht wieder sprunghaft ansteigen, könne man im Einzelhandel stufenweise zunächst einen Kunden pro 20 Quadratmeter erlauben und dann auf einen Kunden pro zehn Quadratmeter übergehen, schlägt Keller vor. „Damit werden wir eine Zeit lang leben müssen, ob da vier Wochen reichen, weiß ich nicht. Das hängt von der Gesamtentwicklung ab. Mit der Impferei geht es ja vorwärts.“

IHK: Corona-Durcheinander eine „Realsatire“

Unterdessen plädiert die CDU-Landtagsfraktion dafür, dass der Einzelhandel ab einer Inzidenz – Anzahl der Infektionen innerhalb einer Woche bezogen auf 100.000 Einwohner – von 35 „schnellstmöglich“ öffnen darf. Davon ist Ludwigshafen mit einem aktuellen Wert von über 60 allerdings ebenso weit entfernt wie Mannheim. Stand Freitag ist in der Nachbarstadt ab Montag kein Termin-Shopping möglich. Mit Blick auf dieses Corona-Durcheinander spricht ein IHK-Verantwortlicher von „Realsatire“.

Edmund Keller
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Michael Schmitt
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