Ludwigshafen Sympathischer Querdenker

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Nur ungefähr 100 Gäste waren ins Mannheimer Capitol gekommen, um den Kabarettisten Martin Zingsheim mit seinem aktuellen Programm „Kopfkino“ zu sehen. Schade, denn der Kölner hat eine Show voller Sprachwitz, intelligenter Pointen und virtuoser Chansons abgeliefert.

Erziehung und Internet sind für Martin Zingsheim eigentlich ein und dasselbe: „Es steht und fällt mit den Cookies.“ Als dreifacher Vater ist für den Kölner Comedian Familie natürlich ein wiederkehrendes Thema. Und dem Internet kann sich sowieso niemand wirklich entziehen. Diese beiden Motive sind der Ausgangspunkt für Zingsheims „Kopfkino“, das sich als grandioses Actionfilm-Komödienmusical mit Anspruch entpuppte. Martin Zingsheim ist ein Urkölner, was man aber sehr selten sprachlich heraushört. Dass er allerdings Musikwissenschaft und Philosophie studiert hat, merkte man sehr wohl. Vor allem, wenn er das Prinzip des radikalen Konstruktivismus am Beispiel von Horst Seehofer erklärte: „Konstruktivismus bedeutet, dass man sich seine eigene Realität konstruiert.“ Immer wieder setzte sich der 31-Jährige außerdem ans Klavier und kommentierte seine Ansichten musikalisch. Sein Talent als Komponist und Sänger hat er bereits von 2006 bis 2010 als Mitglied des Bundeskabaretts unter Beweis gestellt. Absolutes Glanzstück: Als Kind der 90er-Jahre reihte Zingsheim die seiner Meinung nach große Zahl an unsäglichen Nummer-Eins-Hits des Jahrzehnts aneinander – von „Pump ab das Bier“ bis „Macarena“. Die Familie ist ein kabarettistischer Dauerbrenner, doch selten wurden Erziehungsfragen so erfrischend und ehrlich erörtert wie bei Martin Zingsheim. Sein Tipp: Den Kindern die Gutenacht-Geschichte abwechselnd als Hermann Van Veen und Klaus Kinski vorlesen. Wie das funktioniert, demonstrierte der Comedian zur Freude seines Publikums gleich mehrfach. „Danach flehen Ihre Kinder, dass Sie das Licht ausschalten.“ Als „Elternteilchen“ lebe man zudem in zwei Realitäten stellte der Kölner fest: der sprachlichen und der geistigen. Denn was man zu seinem Kind sagt, wenn es mal wieder die Wohnung verwüstet habe, decke sich nicht ganz mit dem, was einem dabei durch den Kopf gehe. Weil die Digitalisierung zu weit voran geschritten ist, propagierte Zingsheim mehr analoges Miteinander. Er und seine Frau hätten das versucht: „Wir wollten Weihnachten in einer Berghütte feiern.“ Als es dann zum Stromausfall gekommen sei, hätte es nur drei Tage gedauert, bis sie von Angesicht zu Angesicht miteinander gesprochen hätten. „Ich müsste jetzt wohl auch noch was zum Mann-Frau-Gedöns sagen, oder?“ fragte Martin Zingsheim. „Wenn Sie mehr als zehn Euro für das Ticket bezahlt haben, haben Sie darauf ein Anrecht.“ Er tat es nicht, und das war gut so – denn am Thema Mann und Frau arbeiten sich derzeit schon genug Comedians ab. Obwohl es eigentlich interessant gewesen wäre, was Martin Zingsheim dazu zu sagen gehabt hätte, denn es wäre wohl intelligenter und eloquenter gewesen, als so manches, was einige seiner Kollegen zum Thema beizutragen haben.

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