Ludwigshafen „Stellen den Zweifel höher als den Glauben“

Sie sind eine nichtchristliche Gemeinschaft auf humanistischer Basis: die Freireligiöse Gemeinde Ludwigshafen. In diesem Jahr feiert die Gemeinde mit einem großen Programm ihr 125-jähriges Bestehen.

Werte wie Demokratie, Mitbestimmung, Meinungs- und Glaubensfreiheit, Gleichberechtigung der Frau und bessere Bildungschancen stehen für die Gemeindemitglieder der Freireligiösen Gemeinde im Vordergrund. „Wir stellen den Zweifel höher als den Glauben“, bringt es Landessprecherin Renate Bauer auf den Punkt. Die nichtchristliche Gemeinschaft legt Wert darauf, dass Menschen selbstbestimmt über ihre Überzeugung entscheiden, diese bedenken, begründen und diskutieren. Und dies schon seit 125 Jahren in Ludwigshafen, in anderen Städten bereits seit 1845. Verständlich, dass diese Forderungen und Überzeugungen im Laufe der Geschichte Ängste weckten und mehrfach zu Verboten der Gemeinden führten. Organisatorisch entstanden die Freireligiösen Gemeinschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Kreisen, die sich vom traditionellen Katholizismus, der an Rom orientiert war, und vom staatstreuen und orthodoxen Protestantismus lösten. „Ausgangspunkt war die Ausstellung des Heiligen Rocks in Trier 1844, die auf großen Widerstand bei vielen Katholiken und Protestanten stieß. Sie sahen darin nur einen Versuch, den damaligen Unmut in Politik und Gesellschaft umzulenken“, berichtet Bauer beim Pressegespräch zum Jubiläum. Kaplan Johannes Ronge, nach dem auch das Ludwigshafener Gemeindehaus in der Wörthstraße (Mitte) benannt ist, gründete damals in Breslau eine neue Gemeinde, in der Menschen nicht einfach mehr nur glauben sollten, sondern sich ihr eigenes Bild machen und mitbestimmen sollten. Schnell entstanden auch in anderen Städten Freireligiöse Gemeinden, in der Pfalz 1845 in Neustadt und 1846 in Frankenthal. „Sie wurden sofort von der bayerischen Regierung verboten“, erzählt Renate Bauer. 1848 gab es im Zuge der Revolution einen neuen Versuch der Gemeindebildung, der jedoch auch nur von kurzer Dauer war. Erst 1891 hat sich dann die Gemeinde Ludwigshafen gegründet. Diese sollte dann bis zum allgemeinen Verbot Freireligiöser Gemeinden 1933 durch die Nazis Bestand haben. Viele Gemeindemitglieder wurden verfolgt, woran „Stolpersteine“ in der Stadt erinnern. Nach dem Krieg schlossen sich die Ludwigshafener und Frankenthaler Gemeinde am 26. Juli 1947 zur Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz zusammen. Diese löste den Bund der Freireligiösen Gemeinden der Pfalz ab, der seit 1921 bestanden hatte und ebenfalls 1933 verboten worden war. Die Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz zählt heute rund 1400 Mitglieder, 1000 davon in Ludwigshafen. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im 1952 erbauten Johannes-Ronge-Haus befinden sich das Gemeindezentrum und die Geschäftsstelle. Jede Gemeinde wählt in einer Gemeindeversammlung ihren Gemeindevorsteher und Gemeinderat selbst. Die Ludwigshafener Freireligiösen pflegen ein aktives Gemeindeleben. „Neben unseren Ritualen im Lebens- und Jahreslauf wie Sommersonnenwende oder Jugendweihe bieten wir auch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen, die für alle offen sind“, sagt Gemeindevorsteher Jürgen Kofink. Ganz wichtig ist den Gemeindevertretern zum Abschluss des Gesprächs noch eines: „Wir missionieren nicht. Aber wir sind offen für jeden, der kommt. Zur Sache |rad

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