Ludwigshafen Sein größter Fan

Predigt Wein, trinkt Bier: Gregor Gysi in Ludwigshafen.
Predigt Wein, trinkt Bier: Gregor Gysi in Ludwigshafen.

„Ein Leben ist zu wenig“ hat Gregor Gysi seine Autobiografie genannt. Im Gespräch mit seinem Co-Autor Hans-Dieter Schütt erläuterte der Linken-Politiker im Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus, warum er wie die sprichwörtliche Katze sieben Leben hat. Mit seiner Redegewandtheit hat er das Publikum begeistert. Vor allem einen hat Gysi ziemlich beeindruckt: sich selbst.

Wasser predigen und Wein trinken? Das ist Gregor Gysis Sache nicht. „Wir predigen Wein“, sagte der 71-Jährige über sich und seine Kollegen von der Linkspartei, in der er politische Karriere gemacht hat, „wir wollen doch, dass es denen, denen es schlecht geht, auch gut geht.“ Sprachs und prostete dem Publikum mit einem Bier zu. Um ohne Umschweife auf ständig betrunkene Politiker zu kommen, auf Boris Jelzin und von ihm auf das deutsch-russische Verhältnis, die bei der Wiedervereinigung gemachten Fehler, den Kalten Krieg die USA, die ganze Welt und sein eigenes Leben. Gregor Gysi brauchte kein Vorgeplänkel. Sein Interviewer, der früher bei der „Jungen Welt“ und dem „Neuen Deutschland“ tätige Journalist Hans-Dieter Schütt, musste ihn nur gelegentlich anpiksen, damit es aus Gysi nur so heraussprudelte. Im Schnelldurchlauf ging es durch seine sieben Leben, wie Gysi seine verschiedenen Lebensphasen genannt hat. Sechs von ihnen habe er bisher geführt. Da waren zunächst die Kindheit und Jugend, die Studentenzeit, das Leben als Anwalt und die Wendezeit 1989/90. Im fünften Leben habe die Mehrheit der Bevölkerung ihn abgelehnt, im jetzigen sechsten werde er von der Mehrheit akzeptiert. Das siebte Leben sei das Alter. Er wisse noch nicht, wann es beginnen werde. Das Angenehme an der Veranstaltung im Saal des Kulturzentrums Das Haus war, dass sie zwar auf Einladung des Kreisverbands der Linkspartei stattfand, aber nichts mit einem Wahlkampfauftritt zu tun hatte: „Es ist ja niemand hier, der in Treptow-Köpenick wohnt.“ Seinen Genossen redete er ins Gewissen: „Links ist nicht, wer nur an der Seite der schwachen Deutschen steht. Links ist erst, wer an der Seite aller Schwachen steht.“ Mit der Linkspartei verbindet Gregor Gysi eine lange und wechselhafte Geschichte. 1967, als Jurastudent in der DDR, war Gysi in die SED eingetreten. In der turbulenten Wendezeit wurde er ihr letzter Vorsitzender und auch der ihrer Nachfolgerin PDS, die später zur Partei Die Linke wurde. Von 2005 bis 2015 war er Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Unzählige Talkshows, in denen er seine rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte, haben nach seiner Ansicht dazu beigetragen, seine Popularität zu steigern und den Hass auf in Sympathie für ihn umzumünzen. Er sei deswegen immer so gerne eingeladen worden, weil er für eine „Doppelquote“ gesorgt habe: „Es schauten alle zu, die mich sympathisch fanden, und alle, die mich ablehnten.“ Einfach sei es aber nicht immer gewesen, mit den Anfeindungen umzugehen. Mit Unbehagen erinnerte er sich an den „Heißen Stuhl“ bei RTL, auf dem er saß und sich von fünf Leuten beschimpfen lassen musste: „Da verlierst du sechs Wochen deines Lebens.“ Es war wohl eine Eigenschaft, die Gregor Gysi dabei geholfen hat, den öffentlichen Gegenwind auszuhalten: Er findet sich selbst ziemlich gut. Zwar sagte er an dem Abend in Ludwigshafen auch Sätze wie „Manchmal habe ich eine Art, die ich selbst verurteile“ oder „Ich weiß auch nicht, was das in mir ist“. Aber das war doch vor allem eins: kokett und auch ganz schön eitel. Auf alles hatte der 71-Jährige eine Antwort. Auch auf die Frage, ob es nicht zu einer Sehnenscheidenentzündung geführt habe, in der Pause so viele Bücher zu signieren: „Nein. Ich heiße ja nicht Leutheusser-Schnarrenberger, sondern Gysi.“

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x