Ludwigshafen Partymucke mit dem Heavy-Metal-Gruß

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Bis vor kurzem hätte dieser Satz nur Gelächter geerntet: Heino rockt die Alte Seilerei. Doch der blonde Barde mit der Sonnenbrille hat es wahr gemacht. Nicht nur Rocksongs anderer Bands, auch eigene Klassiker wie den „Blauen Enzian“ brachte der Sänger im neuen Rock-Sound. Euphorische Konzertbesucher machten den Abend zu einer Riesenparty.

Heino, das war doch seit gefühlten hundert Jahren die singende Schrankwand in Eiche rustikal, Inbegriff der kommerziellen Verwurstung alter Volkslieder, Sänger der akustischen Auslegware im Spießerheim. Wieso macht der jetzt Rock? Und wer will das eigentlich hören? Dass Heino mit „Junge“ anfängt, einem Song der Punkband „Die Ärzte“, ist schon ziemlich witzig. Darin heißt es aus der Perspektive besorgter Eltern: „Junge, warum hast du nichts gelernt?... wie du wieder aussiehst... elektrische Gitarren und immer diese Texte, das will doch keiner hör`n.“ Heino wollen offenbar eine Menge Leute hören, das Konzert war fast ausverkauft. Gesehen wurden einige Hipster mit Vollbart und Hornbrille, die das Ganze vermutlich ironisch angingen. Aber sind die jungen Herren immer noch cool distanziert, wenn sie später mit leuchtenden Augen „Wir lagen vor Madagaskar“ mitsingen? Oder waren da Kindheitserinnerungen ausgebrochen aus langer Verdrängung? Umfragen haben angeblich bewiesen, dass 99 Prozent der Deutschen Heino kennen. Eine heinofreie Sozialisation gibt es hierzulande offenbar nicht. Heino war aber auch 50 Jahre lang das Gegenteil von cool. Der ehemalige Bäcker Heinz Georg Kramm rollt beim Singen das „R“ wie Wochenschau-Sprecher in den 30er Jahren, ist nordisch blond und die Texte seiner Lieder besingen tapfere Bergvagabunden und Seeleute sowie Maderln, die so sittsam wie drall auf Almen kraxeln oder am Meeresufer auf die Rückkehr ihrer Helden warten. Der Komiker Otto und die Toten Hosen parodierten ihn, der deutsche Hiphopper Jan Delay ließ seinen Assoziationen freien Lauf und bezeichnete Heino als „Nazi“. Das fand Heino nicht cool, und Delay bekam Post vom Anwalt. Die beiden einigten sich außergerichtlich. 40 Jahre nach Heinos Karrierebeginn rollt nun Rammsteins Leadsänger Till Lindemann das „R“, und es gibt eine Rockrichtung, die als „Neue Deutsche Härte“ firmiert. Und so wuchs zusammen, was zusammengehört: Heino, Jahrgang 1938, trat mit Rammstein 2013 beim Heavy Metal Fest in Wacken auf. „Der Höhepunkt meiner Karriere“ sagte Heino in Mannheim und stimmte Rammsteins „Hier kommt die Sonne“ an. 2013 hatte Heino ein Album veröffentlicht, in dem er Songs aktueller deutscher Pop- und Rock-Musiker interpretiert. Zwar waren nicht alle glücklich über die Heinoisierung ihrer Werke, aber mehr war auch nicht. Der Werbeeffekt war unbezahlbar. Jetzt könnte man fürchten, dass Heino sich zum Horst macht, wenn er sich auf der Bühne in Rockerpose wirft. Und deshalb macht er das auch nicht. Zu den „ro-ro-roten Lippen“ im „blau-blau-blauen Enzian“ stößt Heino allenfalls die Faust in die Luft. Die Zuhörer grüßen zurück mit der manu cornuta, dem Heavy-Metal-Gruß mit den Teufelshörnern. Echte Metalheads sah man keine. Mit ehrlich gemeintem Rock hat Heinos Partymucke auch nichts zu tun.

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