Ludwigshafen Oh wie „schee“ sind Kinderschees

Ruth Baumann bekam als Vierjährige ihren Wagen.
Ruth Baumann bekam als Vierjährige ihren Wagen.
An Flüchtlinge „weitervererbt“

„Oh , was war ich stolz auf meinen Puppenwagen und meine Puppe“, erzählt Ruth Baumann (70) aus Böhl-Iggelheim. Vier Jahre alt war sie damals und bekam das bezaubernde Wägelchen zum Geburtstag. „Mein Puppenwagen war aus schneeweißem Korbgeflecht mit Verdeck, Kissen und Decke für meine Schildkröt-Puppe.“ Diese gibt es noch, den Wagen leider nicht mehr. Ihre Mutter hat ihn in den 1950er-Jahren an eine arme Flüchtlingsfamilie verschenkt, erzählt sie. „Heute bedauere ich das ein wenig.“ Darum hat sie sich später einen Nachbau für ihre Puppen gekauft. Die Böhl-Iggelheimerin sammelt solche mit Porzellan-Kopf und –Händen und dekoriert ihr Haus Sommers wie Winters mit den entsprechenden Puppen-Utensilien. Eine Kinderschees zum 66. Diese knuffigen Kinderwagen aus den 40er- und 50er-Jahren haben es Gerda Jeude (74) schon immer angetan. Sie selbst hat in einem solchen als Baby und Kleinkind gesessen. Gern hätte sie auch einen Puppenwagen in dieser Art gehabt. Aber: „Ich wurde 1944 geboren, da war das Geld dafür nicht da“, erzählt die Altriperin. Der Zufall wollte es, dass eine Bekannte einen solchen auf dem Dachboden aufbewahrt hatte. „Mein Mann hatte ihn ihr dann abgekauft und mir vor acht Jahren zum Geburtstag geschenkt. Ich habe mich sehr darüber gefreut“, erzählt sie. Er passt perfekt zu ihrer Puppensammlung. Auf Flohmärkten hat sie dann noch etliches Zubehör gekauft – rosa Kissen und Decke, sogar eine alte Kinderwagen-Rassel. Türkis-weißer Flitzer Auch Franz Müller aus Schifferstadt saß als kleiner Bub in einer solchen Kinderschees. Seine fällt unter den Einsendungen optisch etwas aus dem Rahmen, ist sie doch nicht aus weißem Korbgeflecht, sondern weiß-türkis bespannt. Der Schifferstadter ist Baujahr 1954, „wie mein Kinderwagen auch“, erzählt er und muss lachen. Seine Eltern haben ihn in dem „führenden Fachgeschäft Wissel in der Prinzregentenstraße in Ludwigshafen“ gekauft, wie es noch auf dem Firmenaufkleber steht. Franz Müller war „der erste und einzige Passagier“ in diesem schnittigen Modell. Seitdem er diesem entwachsen ist, fristet der Wagen ein Dasein in der Abstellkammer. „Den nachfolgenden Generationen war er nicht modern beziehungsweise antik genug“, erzählt er. Für „Marktplatz regional“ wurde die Kinderschees noch einmal aufgebaut. Sie sei gut in Schuss, sogar die Luft in den Gummireifen sei noch drin. „Vielleicht hat ja jemand Interesse an dem guten Stück“, sagt er. Er würde sich tatsächlich davon trennen und es verkaufen. Letzte Ausfahrt auf Festumzug So wie Mia-Sophie auf dem Foto in der alten Kinderschees sitzt, so saß einst ihr Oma Ruth Kranz in dem altern Kinderwagen. „Und auch meine ältere Schwester wurde darin herumgefahren“, erzählt die 62-Jährige aus Waldsee. Den Kinderwagen hatte ihre Mutter aufgehoben. Als diese verstarb, hat Ruth Kranz das gute Stück zu sich geholt. Seither steht er als Deko im Haus. „Einmal wurde er noch ausgefahren: 2003 beim historischen Umzug zum Waldseer Dorfjubiläum.“ Es wurde das 800-jährige Bestehen der Gemeinde gefeiert. Verkaufen, verschenken oder gar entsorgen wolle Ruth Kranz ihren Kinderwagen nie. „Der wird weitervererbt“, sagt sie. Vielleicht an die dreijährige Enkeltochter Mia-Sophie. Schwester und Puppenmama Wie hat sich Ingrid Pachel gefreut, als ihr das Christkind 1957 einen Puppenwagen und eine Schildkröt-Puppe gebracht hatte. Die damals Dreijährige hatte gerade einen kleinen Bruder bekommen, und so konnte sie sich um ihre Puppe kümmern, genauso wie ihre Mama sich um ihren Bruder kümmerte. Den Kinderwagen, in dem sie und ihr Bruder schon lagen, gibt es leider nicht mehr: „Der wurde traditionell in der Verwandtschaft rumgereicht“, erzählt die 64-Jährige aus Maxdorf. Ihr alter Puppenwagen ist aber als Spielzeug immer noch gefragt. „Meine Tochter und meine Enkeltochter haben diesen schon mit Freude durchs Haus geschoben.“ Davon trennen möchte sie sich nicht, auch weil er eine schöne Erinnerung an ihre Oma ist: „Von ihr bekam ich diesen geschenkt.“ Beliebter Stubenwagen Sage und schreibe 22 Babys haben schon im Stubenwagen von Familie Jäntsch aus Neuhofen gelegen. „Unser Babykorb ist von 1951“, erzählt Gisela Jäntsch. Sie haben ihn zur Geburt ihrer Tochter von einer Familie Kohl abgekauft, deren Sohn Peter als erstes Baby darin schlummerte. „Nein, es war nicht jene Familie Kohl aus Oggersheim“, klärt die Neuhofenerin auf Nachfrage auf und muss lachen. Ob es sich dabei um einen gekauften Stubenwagen oder um einen „Marke Eigenbau“ handelt, kann Gisela Jäntsch nicht genau sagen. „Der Korb ist riesig und sieht aus wie ein Wäschekorb, auch das Untergestell könnte selbst gemacht sein“, meint die 66-Jährige. Stabil und robust sei er dennoch. Allenfalls die Matratze, der Stoff für innen und die Umrandung sowie der Himmel wurden in den 1980ern ausgetauscht. Zuletzt lag der kleine Sohn von Gisela Jäntsch’ Nichte darin. Der Kleine schlummerte dort, wo auch seine Mama als Baby einst schlief. Interessanterweise war der Stubenwagen bei vielen Generationen von Mamas beliebt und scheint bis heute nicht aus der Mode zu kommen. „Meine Urenkel werden da auch noch darin schlafen“, ist sich Gisela Jäntsch sicher.

Ruth Kranz’ Enkelchen gefällt Omas Kinderwagen.
Ruth Kranz’ Enkelchen gefällt Omas Kinderwagen.
22 Babys lagen schon in Gisela Jäntsch’ Stubenwagen.
22 Babys lagen schon in Gisela Jäntsch’ Stubenwagen.
Franz Müller war der „einzige Passagier“ in der Schees.
Franz Müller war der »einzige Passagier« in der Schees.
Gerda Jeude bekam ihre Schees zum 66. Geburtstag
Gerda Jeude bekam ihre Schees zum 66. Geburtstag
Das Christkind brachte Ingrid Pachel Wagen und Puppe.
Das Christkind brachte Ingrid Pachel Wagen und Puppe.
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