Ludwigshafen Nach Austritten: Grünen droht der nächste Ärger

Sonnige Aussichten nach den Austritten der Abtrünnigen? Parteilogo an der Tür zur Geschäftsstelle der Grünen am Rathausplatz. De
Sonnige Aussichten nach den Austritten der Abtrünnigen? Parteilogo an der Tür zur Geschäftsstelle der Grünen am Rathausplatz. Der Kreisverband hat derzeit 123 Mitglieder.

Gut drei Jahre lang haben sich die Ludwigshafener Grünen mit dem internen Zwist zweier Lager herumgequält. Mit dem Austritt von fünf „Abtrünnigen“ scheinen sich die Wogen nun zu glätten. Wirklich? Die Parteispitze fordert von dem Quintett, die Mandate in politischen Gremien zurückzugeben. Doch die Betroffenen denken gar nicht daran.

Anfang April haben die früheren Grünen-Vorstandssprecher Petra Mazreku und Raik Dreher das Kapitel Grüne für sich abgeschlossen und die Partei verlassen. Neben Mazrekus Vater sind ihnen Kathrin Lamm und Nesrin Akpinar gefolgt, die – wie Fraktionschef Dreher – zum Quintett Grünes Forum und Piraten im Stadtrat zählen. Akpinar und Dreher sind zudem Mitglieder im Ortsbeirat Süd, Lamm sitzt im Ortsbeirat Mundenheim.

Spaltung nach Rekordergebnis

Nach der Kommunalwahl 2019, als die Grünen ein Rekordergebnis von 16,6 Prozent der Stimmen erzielten, spaltete sich die damals elfköpfige und bereits zerstrittene Fraktion in zwei Lager: die Grünen im Rat, das offizielle Sprachrohr des Kreisverbands, und das Grüne Forum und Piraten. Genauer gesagt: Dreher und Co. wurde von den etablierten Kräften um Hans-Uwe Daumann und Monika Kleinschnitger, der Stuhl vor die Tür gesetzt. Sie sahen keine Basis mehr für eine konstruktive Zusammenarbeit.

Dreher und Mazreku wurde im Umfeld der Kommunalwahl parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Unter anderem sollen sie dazu beigetragen haben, die Piratenliste mit grünen Mitgliedern zu bestücken. Doch für einen Rauswurf sah das Landesschiedsgericht der Partei keinen hinreichenden Anlass.

Ex-Grünen-Chef Raik Dreher, aktuell Vorsitzender der Stadtratsfraktion Grünes Forum und Piraten.
Ex-Grünen-Chef Raik Dreher, aktuell Vorsitzender der Stadtratsfraktion Grünes Forum und Piraten.

„Die gegen uns eingeleiteten Ausschlussverfahren sind gescheitert. Ein neuer Antrag bei der letzten Mitgliederversammlung, der darauf abzielte, die beiden grünen Fraktionen im Stadtrat wieder zu vereinen, wurde von einer großen Mehrheit abgelehnt. Ich halte daher die Zeit für gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen“, begründet Dreher seinen Schritt nach immerhin 13 Jahren in der Partei. Ähnlich äußert sich Mazreku. Es sei Zeit, nach vorne zu blicken und mit dem Thema abzuschließen, sagt sie. Beide kündigten an, dass ihnen weitere Anhänger folgen würden.

Auch Stadtrat Jens Brückner, stellvertretender Ortsvorsteher in Süd, teilte dem Kreisverband diese Woche mit, dass er sein Parteibuch zum 1. Mai abgeben werde. „Die Grabenkämpfe der verschiedenen politischen Lager, verbunden mit einer unterirdischen Streitkultur innerhalb des Kreisverbands, empfinde ich sehr frustrierend. Die politische Arbeit leidet darunter“, sagt er.

„Ich habe mich 2019 um politische Verantwortung beworben und habe sie mit einem für mich überwältigenden Ergebnis von den Ludwigshafenern bekommen. Dieser Verantwortung möchte ich weiterhin gerecht werden. Aus meiner Sicht kann ich dies als Mitglied des Grünen Forums weiterhin tun. Im grünen Kreisverband sehe ich diese Möglichkeit nicht“, erklärt Brückner und räumt ein: „Als Grüne haben wir ein desaströses Bild abgegeben, viel Vertrauen zerstört und die Ludwigshafener enttäuscht. Das kann ich nachvollziehen, und es tut mir von Herzen leid.“ Sein Fraktionskollege im Ortsbeirat Süd, Armin Winkler, will Mitglied bei den Grünen bleiben.

Parteispitze ist erleichtert

Die Ende Oktober 2021 gewählte Doppelspitze der Grünen reagiert insbesondere auf die Entscheidung von Dreher und Mazreku erleichtert. Deren Austritte seien „konsequent und überfällig“, erklären Tenko Saphira Bauer und Christian Brückmann als gleichberechtigte Sprecher des 123 Mitglieder zählenden Kreisverbands. „Wer politisch andere Wege gehen will und dies seit 2019 tut, sollte das auch durch Aufgabe der grünen Mitgliedschaft deutlich machen“, meint Brückmann. Damit könne der Kreisverband einen Schlussstrich ziehen und sich „ohne weitere Störungen und Quertreibereien für ein nachhaltiges, lebendiges und tolerantes Ludwigshafen einsetzen“.

Entspricht dem aktuellen Zustand der Ludwigshafener Partei: Aufkleber auf dem Briefkasten zur Geschäftsstelle.
Entspricht dem aktuellen Zustand der Ludwigshafener Partei: Aufkleber auf dem Briefkasten zur Geschäftsstelle.

Als Co-Vorsitzender der inzwischen ebenfalls nur noch fünfköpfigen Grünen im Rat schließt sich Hans-Uwe Daumann der Einschätzung der Parteispitze an: „Die Austritte bringen aus unserer Sicht eine Klärung, die wir uns früher erhofft hätten. Die Theorie von den zwei grünen Fraktionen ist damit endlich erledigt“, bilanziert er.

Dreher: Behalten Mandate

Noch nicht erledigt hat sich eine andere Geschichte. Denn der Kreisverband fordert die ausgetretenen Ex-Mitglieder auf, ihre Mandate im Stadtrat, in dessen Ausschüssen sowie in den Ortsbeiräten Süd und Mundenheim zurückzugeben, „da diese auf der Liste von Bündnis 90/Die Grünen erworben wurden“ und zumindest moralisch der Partei zustünden. Den „Abtrünnigen“ sei dies per E-Mail mitgeteilt worden, berichtet Bauer. Auf eine Reaktion warte der Kreisverband noch.

Dreher bestätigt den Eingang der E-Mail, stellt aber klar: „Eine Rückgabe der Mandate kommt für uns nicht in Betracht.“ Laut Gemeindeordnung sei dies auch rechtskonform. Wer argumentiere, die bei den Grünen ausgetretenen Stadträte hätten die Pflicht, ihr Amt zurückzugeben, weil sie für die Grünen gewählt worden seien, der bekenne nur, sich entweder nicht mit der Gemeindeordnung auszukennen, was reichlich peinlich wäre, oder respektiere diese nicht. „Und offenbart damit ein seltsames Demokratieverständnis“, stichelt Dreher. „Nicht die Partei steht im Vordergrund, sondern das Amt. Wir nehmen unseren Wählerauftrag ernst und werden ihn bis zum Ende der Legislaturperiode ausfüllen“, betont Dreher. Er spreche damit auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen.

Die seit Oktober 2021 amtierende Doppelspitze des Kreisverbands: Tenko Saphira Bauer (links) und Christian Brückmann.
Die seit Oktober 2021 amtierende Doppelspitze des Kreisverbands: Tenko Saphira Bauer (links) und Christian Brückmann.

Geschlossen für Haushaltsentwurf

Dass beide „grünen“ Fraktionen dennoch an einem Strang ziehen können, haben sie bei der Stadtratssitzung am 25. April bewiesen. Sowohl die Grünen im Rat als auch die Fraktion Grünes Forum und Piraten votierten für den 2022er-Haushaltsentwurf der Verwaltung und sorgten für eine Mehrheit von 32:26 Stimmen – übrigens im Schulterschluss mit SPD und AfD.

Kommentar: Kein Sieger, zwei Verlierer

Die Grünen und die Dreher-Clique, das passte schon lange nicht mehr zusammen. Die Quälerei ist vorbei.

Der Austritt von Dreher und Co. ist für beide Lager ein Befreiungsakt. Denn beiden Seiten bleibt jetzt noch ausreichend Zeit, ihr politisches Profil bis zur Kommunalwahl 2024 zu schärfen. Gleichwohl war der Schritt überfällig und hätte früher kommen müssen, weil die Bereitschaft für einen Konsens nicht zu erkennen war.

Geschadet hat das Gezänk der Vorjahre allen. Es gibt keinen Sieger, sondern zwei Verlierer. Dreher und Co. sind zumindest bisher nicht alle Anhänger gefolgt. Der Kreisverband ist mit dem Versuch des Rauswurfs der Ex-Vorsitzenden gescheitert. Hängen bleibt, dass die Grünen ein zerstrittener Haufen und in ihren Reihen einige Profilneurotiker unterwegs sind. Statt den Erfolg zu veredeln und der Stadt einen grünen Stempel aufzudrücken, dürfte die Partei viele potenzielle Wähler verprellt haben.

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