Ludwigshafen Mozart auf dem Sitzkissen

Alles ist hier ein wenig anders. Das Publikum sitzt in der Mitte des Saales auf dem Boden, Musiker und Chor haben drumherum Aufstellung genommen, und das Programm verbindet klassische Musik mit türkischer Kunstmusik. Bei den „Freistil-Konzerten“ der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen können die Zuhörer ganz neue Musikerfahrungen machen.

Ein weicher Teppich liegt in der Mitte des Saals, darauf sind Sitzkissen verteilt. Der Zuhörer nimmt Platz, sitzend oder liegend, das ist gleich; nur bequem soll es sein. Der flauschige Untergrund lädt ein zum Entspannen, und auch die Musik beruhigt: Der warme Klang eines Horns dringt von links ins Ohr der Zuhörer, von rechts erreichen einen die tiefen Töne des Cellos. Den Teppich mitsamt Zuhörern umrahmen sechs Musiker der Staatsphilharmonie, außerdem ein Chor und ein Quartett mit traditionellen türkischen Instrumenten; man sitzt mitten im musikalischen Geschehen. „Mozart alla Turca“ heißt das Konzert, das der Konzertpädagoge und Flötist Andrea Apostoli konzipiert hat, und das – wie so oft – die strengen Konventionen eines klassischen Konzertes aufbrechen möchte. Ausgehend von dem berühmten „Rondo alla Turca“ aus Mozarts Feder wurde die Musik des Salzburger Komponisten im weiteren Programm mit türkischen Werken kombiniert, gespielt und gesungen von den Mitgliedern des Vereins für Türkische Kunstmusik in Ludwigshafen. Mozart machte den Auftakt, wobei unerheblich war, welches Stück nun gerade gespielt wurde: Es gab kein Programm, keine Ansagen und keine Erklärungen, denn wichtig war das Sicheinlassen auf die Musik. Der Raumklang förderte tatsächlich interessante Erkenntnisse zu Tage. Der Ton jedes Instrumentes ließ sich klar von den anderen unterscheiden, klang fast nackt und vermischte sich nie. So konnte man mal der Cellostimme lauschen, mal dem Flötensolo oder dem Zwiegespräch zwischen Viola und Violine. Nur das Horn schien die Zuhörer von allen Seiten her zu umhüllen. Nach Mozart ging der Weg schnell gen Osten. Mit einem Zwischenhalt bei Joseph Haydn, dessen Volkstanzzitate schon zum Mitwippen einluden, öffnete sich das erste Tor zum Orient. Abdulkadir Göl sang das bekannte „Katip“, begleitet von Chor und dem instrumentalen Quartett. Das Kanun, eine Art Zither, gab die Melodie vor, begleitet von einer türkischen Längsflöte, der Ney. Bendir und Darbuka, eine Rahmen- und Bechertrommel, vervollständigten den Klang. Jetzt kam auch Bewegung ins Publikum: Eben noch entspannt durch Mozart, hörte man von allen Seiten leisen Gesang oder Summen. Die meisten der Zuhörer dürften wohl wegen der türkischen Musik gekommen sein. Höhepunkt des Konzertes war sicherlich die Verbindung aller beteiligten Musiker. Andrea Apostoli improvisierte auf seiner Querflöte gemeinsam mit Ufuk Kahvechi auf der Ney, einer türkischen Längsflöte. Nach und nach gesellten sich immer mehr Spieler hinzu, bis auch das Publikum aufgefordert wurde, mitzusingen und mitzuklatschen. Dass hier nichts verkrampft wirkte, dafür hatte Apostoli durch die lockere Stimmung und das räumliche Einbinden der Zuhörer, die längst keine mehr waren, schon lange vorher gesorgt. Damit das Zusammenspiel der klassischen Orchesterinstrumente mit den türkischen Instrumenten überhaupt funktionieren konnte, mussten einige Zugeständnisse gemacht werden. Denn eigentlich sind diese ganz anders gestimmt und erlauben sehr viel mehr Zwischentöne, als es das westliche Ohr gewohnt ist. Um die Ludwigshafener nicht gleich mit vollkommen fremden Tönen zu verschrecken, wählte Abdulkadir Göl eingängige Volkslieder, die dem ein oder anderen wohl bekannt sein durften. Das Interesse aber hatten die Musiker geweckt: An einem fremden Mozart und neuen Klängen aus der Türkei. Nach einer Stunde war das Erlebnis schon zu Ende, das vor allem eines ausgelöst hatte: gute Laune.

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