Ludwigshafen Mit Temperament und Tempo

Der Leipziger Komponist Sigfrid Karg Elert (1877 bis 1933) hat in den 1920er-Jahren die Steinmeyer-Orgel der Christuskirche als „Mannheimer Wunderwerk“ geadelt. Das Instrument verblüfft und erstaunt seit nunmehr über 100 Jahren die Besucher der Jugendstilkirche. Landeskantor Johannes Michel ordnete den herausragenden Wert der in Südwestdeutschland einmaligen Orgel mit einem erfrischend unterhaltsamen Konzert ein.

Johannes Michel ist nicht nur als Landes- und Bezirkskantor, Komponist, Professor und natürlich als musikalischer Leiter mehrerer Ensembles an der Christuskirche bekannt. Er ist auch Vorsitzender der Karg-Elert-Gesellschaft, die das Werk des eigenwilligen Komponisten pflegt und sich am Wochenende zu seiner Jahrestagung traf. So setzte er einige bedeutende Stücke Karg-Elerts, der gerne auch als Protagonist eines musikalischen Jugendstils gesehen wird, als Schwerpunkte des Konzerts. Selbstbewusst und klanggewaltig ist bereits der Auftakt mit der Fantasie „Eine feste Burg ist unser Gott“ aus den Orgelimprovisationen Op. 65. Johannes Michel schöpft die Klangfülle der Steinmeyer-Orgel umfassend aus, die mit der kürzlich vollendeten Generalsanierung wieder in ihren klanglichen Urzustand versetzt worden ist. Die erweiterten kompositorischen Möglichkeiten von Karg-Elert erweckt Michel aber besonders in den folgenden Improvisationen („Schmücke dich, o liebe Seele“ und „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“). Zart und poetisch lässt er das pneumatische „Wunderwerk“ „atmen“, spielerisch die Melodien auf- und absteigen, was bei einer solch monumentalen Orgel umso mehr beeindruckt. Erstaunlich ist die Klangfrische des Komponisten, der mit einem innovativ-impressionistischen Duktus die Romantik überwindet und gerade Orgeln wie die der Mannheimer Christuskirche zu neuen Klangerlebnissen befähigt. So nebenbei hat Karg-Elert die herkömmliche Sakralität der zeitgenössischen Komponisten um neue Dimensionen erweitert. Weltlichen Ausdrucksmöglichkeiten freien Lauf lässt er bei drei „Bodenseepastellen“, die teilweise träumerisch, tiefgründig und friedlich ausgestaltet sind. Naturthemen wie „Der spiegelnde Mond“ und „Hymne an die Sterne“ entwickeln sich beim Leipziger Komponisten mehrdimensional und sehr dynamisch. Johannes Michel als professioneller Interpret kann hier die Möglichkeiten seines „Haus-Instruments“ ausschöpfen. Spannende historische Bezüge setzt Michel in seiner Konzert-Konzeption durch die Hereinnahme weiterer Werke wie die von Cesar Franck (Choral Nr. 2 h-Moll) und Joseph Rheinberger (Sonate Nr. 7 f-moll Op. 127). Franck steht für die französische Tradition – als Wunschvorlage der Christuskirchen-Gründer – für ein besonders zungenreiches Instrument (mit reicher Besetzung an Stimmen), das eine große sinfonische Wirkung entfaltet. Rheinberger hingegen als direkter Vorläufer, der die damalige romantische deutsche Orgeltradition verkörpert. Johannes Michel selbst lässt noch eine eigene Komposition folgen und setzt mit seiner Jazz-Fantasie über die „feste Burg“ deutlich neuzeitliche Akzente. Auch hier wirkt die Steinmeyer-Orgel überhaupt nicht schwerfällig, ja, Michel setzt mutig sogar die hell-himmlische „Celesta“ ein, die im Fernwerk der Orgel in der Kuppel verortet ist. Und weil alles Orgelspiel auf Johann Sebastian Bach beruht, hat er auch die Toccata C-Dur (BWV 564) mit Adagio und Fuge in den Konzertabend eingefügt. Die spielt er temperament- und temporeich auf der 1988 in der Christuskirche zusätzlich eingebauten Marcussen-Orgel. Sie zeigt einen für Kompositionen vor 1800 adäquates Klangbild. Johannes Michel brilliert hier besonders durch Leichtigkeit und mit einem brillanten Pedalsolo.

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