Ludwigshafen „Meine Mutter dort abholen, wo sie gerade ist“

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Man unterscheidet zwischen 80 verschiedenen Arten von Demenz – die bekannteste darunter ist Alzheimer. Am Welt-Alzheimertag am 19. September finden auch in Ludwigshafen zahlreiche Vorträge und Workshops rund um das Thema Demenz statt. Silvia Erb und Monika Bechtel berichten von ihren Erfahrungen mit der Krankheit.

Seit etwa drei Jahren betreut Erb (55) ihre 80-jährige Mutter, die an Demenz erkrankt ist. Die Mutter der Rödesheimerin verlegte täglich ihren Hausschlüssel, ging dreimal die Woche zum Friseur und kaufte Backzutaten, mit denen sie eine eigene Bäckerei hätte führen können. 2012 kam die Diagnose und damit der Grund für ihr Verhalten: Alzheimer. Von ähnlichen Verhaltensmustern kann auch Monika Bechtel berichten, deren Mutter vor einigen Jahren an Demenz starb. „Damals habe ich viel Trost und Zuspruch von anderen demenzkranken Menschen erhalten“, erinnert sich die 55-Jährige. Diese überraschende Erfahrung veranlasste sie vor gut sechs Jahren dazu, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige demenzkranker Menschen in Ruchheim zu gründen. Auch Erb, die ihre demenzkranke Mutter betreut, ist Mitglied dieser Gruppe, um sich dort Rat zu holen und anderen Mut zu machen. Nachdem bei ihrer Mutter Alzheimer diagnostiziert worden war, belegte Erb Seminare, um die Betreuung ihrer Mutter selbst in die Hand zu nehmen. Dafür ging die Chemielaborantin in Teilzeit. „Ich habe gelernt, meine Mutter dort abzuholen, wo sie gerade ist.. Nicht selten würden Halluzinationen auftreten: Ihre Mutter sehe ihren bereits verstorbenen Ehemann, koche für ihn zu Mittag und wundere sich darüber, dass er nichts esse. „In solchen Situationen sage ich Dinge wie ,Ich glaube, er hat heute keinen Hunger’“, erzählt die Rödesheimerin. Menschen, die an Demenz erkranken, merkten, dass sich etwas an ihnen verändere, weiß Gruppenleiterin Bechtel. Das müsse sich anfühlen, als sei man in China ausgesetzt worden, ohne Chinesisch zu sprechen. „Noch dazu haben die meisten im Alter ein Hör- und Sehproblem“, veranschaulicht sie die Schwierigkeiten. „Vergesslichkeit und andere Demenzerscheinungen können im Anfangsstadium meist noch von Angehörigen aufgefangen und kompensiert werden“, berichtet Erb aus eigener Erfahrung. Doch selbst wenn sich die Symptome nicht mehr ignorieren ließen, wollten die meisten Menschen ihre Krankheit geheim halten. „Insbesondere Männer haben oft das Gefühl, durch die eingeschränkte Selbstständigkeit ihre Männlichkeit und damit ihre Identität zu verlieren“, sagt Bechtel. Dabei sei ein offener Umgang mit der Krankheit der Schlüssel zu vielen Problemen, die die Krankheit mit sich bringe. „Ohne die Unterstützung der Nachbarschaft und vieler Freunde wäre die Betreuung meiner Mutter in ihrem eigenen Zuhause nicht möglich“, ist sich Erb sicher. „Jede noch so kleine Ortsveränderung stellt für erkrankte Menschen eine Herausforderung dar“, musste Erb auch im Fall ihrer Mutter feststellen. Auch deshalb betreut sie ihre Mutter von Zuhause aus, um sie nicht durch einen Ortswechsel zu belasten. Am liebsten unternimmt Erb zusammen mit ihrer Mutter Ausflüge an bekannte Orte wie das Café Nostalgie in Mutterstadt, den Dompark in Speyer oder das Schwetzinger Schloss. Doch selbst dabei macht die Demenz den beiden oftmals einen Strich durch die Rechnung: „Der Zustand meiner Mutter ändert sich von Tag zu Tag.“ Deshalb sei es schwierig, Ausflüge im Voraus zu planen. „Man muss jeden Tag schauen, was gerade möglich ist.“ Ebenso wichtig sei es jedoch, sich Zeit für sich zu nehmen und dabei kein schlechtes Gewissen zu haben, sagt Bechtel. Immer wieder erinnere sie die Mitglieder der Selbsthilfegruppe daran: „Denkt an euch, denn ohne euch funktioniert es nicht.“ Trotz der Einschränkungen in ihrem Privatleben kann Erb freudestrahlend vom letzten Ausflug mit ihrer Mutter in den Speyerer Dompark berichten: „Da hat sie sich bei mir untergehakt und einfach laut drauf los gesungen. Wir haben tatsächlich beide die Demenz vergessen.“ (sor) Termin Vorträge, Workshops und Mitmachangebote der Alzheimer Gesellschaft Rheinland Pfalz gibt es beim Welt-Alzheimertag am Samstag, 19. September, 10 bis 17 Uhr, im Krankenhaus Zum Guten Hirten, Semmelweisstraße 7, Oggersheim.

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