Mannheim Mannheimer Theaterakademie feiert im Theater Felina-Areal Premiere mit der Jugendbuch-Adaption „Nichts – Was im Leben wichtig ist“
„Euch bleiben höchstens neun Jahre zum Leben“, ruft Pia Alma, gespielt von Nele Kiau, ihren Klassenkameraden zu. Zwei Jungen und zwei Mädchen zwischen 14 und 15 schauen zu Pia Alma nach oben, die nicht mehr zur Schule geht, sondern sich auf dem Pflaumenbaum vor ihrem Elternhaus im Nichtstun übt, denn: „Nichts bedeutet irgendetwas“, hat die Schülerin festgestellt. Für sie lohne es sich deswegen nicht mehr, irgendetwas zu tun. Diese provokante und nihilistische Feststellung irritiert ihre Mitschüler zunächst. Doch Pias Kommentare fordern die Neuntklässler auch dazu auf, das eigene Leben zu hinterfragen. Die Schüler beschließen, Pia zu beweisen, dass Bedeutung existiert, sammeln Gegenstände an und häufen diese zum „Berg der Bedeutung“ an. Während alle Lieblingsgegenstände – wie das schönste Schuhpaar oder die besten Boxhandschuhe – opfern, spitzt sich die Brutalität unter ihnen zu: Kim-Lee soll seine Adoptionsurkunde hergeben und Gerda ihren Hamster Klein-Oskar, Elise den Sarg ihres toten, kleinen Bruders, Sofie ihre Unschuld und Jan-Johann, gespielt von Konstantinos Gatos, schließlich einen Zeigefinger.
Papierrequisiten verleihen dem Stück Parabelhaftigkeit
Roth bleibt bei seiner Inszenierung nah an der Buchvorlage, nimmt nur wenige maßgebliche Änderungen vor. Aus Tellers Pierre Anthon ist das Mädchen Pia Alma geworden. Das Geschehen um sie und ihre Mitschüler wurde örtlich aus dem fiktiven dänischen Städtchen Tæring in das ländliche Örtchen Bremm verschoben und spielt, gut 20 Jahre später als in der Romanvorlage, im Jahr 2010. Gingen die Freunde in Tellers Roman noch gemeinsam in die 7a, sind sie jetzt Neuntklässler.
Roths Inszenierung lebt von Andeutungen, von der symbolischen Gewaltdarstellung. Aus diesem Grund setzt der Regiestudent bei seinen Requisiten durchgehend auf Papieroptik. Die gebastelten Gegenstände verleihen dem tragischen Bühnengeschehen etwas Parabelhaftes. Dazu tragen auch die Namen „großer Hans“, eindringlich gespielt von Shams Anjoukeh, oder „hübsche Rosa“ bei, die die Adoption beibehält.
Einschübe stören die Interaktion auf der Bühne
Insgesamt gelingt Roth eine in sich logische und technisch saubere Umsetzung der Romanvorlage, die er in eine klare, verständliche Bühnensprache transformiert. Dank des stark reduzierten Bühnenbildes liegt der Fokus die ganze Zeit über auf den handelnden Figuren. Das Licht wird für Szenenwechsel an den entscheidenden Stellen richtig genutzt und verhilft gemeinsam mit ausgewählten akustischen Effekten zu einer dichten Atmosphäre, auf Musik wurde größtenteils verzichtet.
Diese Spannung verliert sich jedoch leider manchmal. Teller lässt im Roman die Ich-Erzählerin Agnes, hier nun souverän dargestellt von Paolina Krafczik, retroperspektiv über die Geschehnisse berichten. Genau diese allwissende Erzählinstanz nutzt auch Roth in seinem Theaterstück, verteilt die Erzählanteile allerdings an alle spielenden Figuren auf der Bühne. Eine elektrisierende Spannung zwischen den Schauspielern baut sich dadurch nur schwer auf, weil die Handlung durch Einschübe der Erzähler ans Publikum zu oft unterbrochen wird. Dass die Schauspielstudenten der Theaterakademie mehrere Rollen gleichzeitig spielen und zwischen ihnen hin und her wechseln – Lucy Valter etwa stellt vier verschiedene Neuntklässlerinnen dar – nimmt trotz tadelloser schauspielerischer Leistung einigen emotionalen Szenen auch etwas den Wind aus den Segeln.
Die zwischenmenschliche Tragweite von Bedeutung bleibt nach der Vorstellung als Message im Raum hängen. Was heißt Identität? Was kann aus mir irgendwann werden? Diese Fragen dürften nicht nur Schulkinder beschäftigen, sondern auch die Zuschauenden im Theater.
Termine
Weitere Vorstellungen stehen am Freitag, Samstag, Sonntag, 6., 7. und 8. Oktober, jeweils um 19 Uhr im Theater Felina-Areal, Holzbauerstraße 6-8 , in der Neckarstadt-Ost in Mannheim auf dem Spielplan. Karten (15/10 Euro) unter 0621 3364886 oder karten@theater-felina-areal.de.