Ludwigshafen Luftige Experimente

Keramiken von Shigekazu Nagae zeigt die Galerie Heller.
Keramiken von Shigekazu Nagae zeigt die Galerie Heller.

Was Shigekazu Nagae in der auf internationale Keramik spezialisierten Heidelberger Galerie von Marianne Heller zeigt, ist kaum mit klassischer Porzellankunst zu vereinbaren. Und wenn der deutsch-niederländische Bildhauer Ewerdt Hilgemann wortwörtlich die Luft aus Edelstahlkuben herauslässt, ist das auch keine gängige Praxis. Zu sehen sind Hilgemanns Kunst-Stücke bei Peter Zimmermann in Mannheim.

Der 1953 geborene japanische Keramiker Shigekazu Nagae wird heute als der weltweit führende Avantgardist in einer sehr speziellen Kunst des Umgangs mit Porzellan gehandelt. Ankäufe renommierter Museen wie dem Londoner Victoria & Albert Museum, dem Los Angeles County Museum of Art oder der australischen Nationalgalerie haben dem Genie des 64-Jährigen bereits durch Ankäufe gehuldigt. Die Ausstellung bei Marianne Heller in Heidelberg fügt sich dem mehr als nur eindrucksvoll ein. Geboren wurde der einer alten Keramikerfamilie entstammende Künstler in Seto, einer der sechs wichtigsten Produktionsstätten für japanische Keramik, deren Tradition bis in die Kakamurazeit im 12. Jahrhundert zurückgeht. Tradition ist das eine, die bewusste Abweichung von den keramischen Urthemen Gefäß und Schale ein anderes. Shigekazu Nagaes zweimal bei unterschiedlich hohen Temperaturen gebrannte Arbeiten sind nicht auf der Scheibe gedreht, sondern mit höchster technischer Fertigkeit gegossen. Die aus hauchdünnen, scharfkantigen Platten montierten, strahlend weißen Gebilde gleichen kunstreichen Faltungen aus Papier, erinnern an vom Wind geblähte Tücher oder an die schwerelose Schönheit abstrakter Plastik, in deren nach der Glasur feinkörnig aufgerauten, von feinem Lack überzogenen Oberfläche sich das Licht mit den wechselnden Tageszeiten bricht. Diffizil und neu zugleich ist diese exquisite Variante japanischer Porzellankunst. Würde sich einer wie Shigekazu Nagae beim Frankenthaler Perron-Preis bewerben, könnte sich die Stadt glatt eine Jury einsparen. „Kunst muss eine irrationale Qualität haben, wie rational die Methoden auch sein mögen, um sie hervorzubringen“, hat der 1938 in Witten geborene deutsch-niederländische Bildhauer Ewerdt Hilgemann einmal gesagt. Und er hat sich daran gehalten. Im italienischen Carrara hat er 1982 einen polierten Marmorwürfel über eine Bruchkante abstürzen lassen, einen anderen im Jahr drauf zur Explosion gebracht, dann einen geschweißten Stahlkubus vom Dach eines Hochhauses gestürzt. 1984 vertauschte er das Prinzip Explosion mit dem der Implosion und entzog luftdicht verschweißten Quadern, Kuben und Pyramiden aus spiegelpoliertem Edelstahl mit einer Vakuumpumpe die Luft. Ergebnis waren (und sind bis heute) geknickte, scheinbar in sich zusammengefallene und zusammengefaltete Gebilde, die die Glätte und Härte des glänzenden Stahls in weiche Formen überführen, in denen sich sanft die Umgebung spiegelt. „Luftschmied“ nennt sich der in Amsterdam und Los Angeles lebende Künstler, der unter anderem bei Oskar Holweck in Saarbrücken studierte, früh in den Umkreis der Künstlergruppe Zero gehörte und schon 1973 (also noch vor der elf Jahre zurückliegenden ersten Ausstellung bei Peter Zimmermann) von Manfred Fath, damals noch Kunstrat der Städtischen Kunstsammlungen, zusammen mit Ad Dekkers, Jan Schoonhoven und Herman de Vries im Rahmen der Ausstellung „Systematische Programme“ in Ludwigshafen gezeigt wurde – vor der Eröffnung des Wilhelm-Hack-Museums und vor Hilgemanns „Entdeckung“ der Implosionen. Erst diese individuellen Deformationen haben den Bildhauer so richtig berühmt gemacht. Bei Zimmermann wirken sie weder zufällig noch konstruiert. Ewerdt Hilgemanns Plastiken beherrschen die Galerieräume als lebendige Individuen von hohem ästhetischem Reiz, selbst wenn es den Anschein hat, ihre Form würde sich einer massiven Einwirkung von außen verdanken. Öffnungszeiten —Galerie Marianne Heller in Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 2, bis 26. November; Dienstag bis Freitag 11-13 und 14.30-18 Uhr, Samstag sowie Sonntag, 26. November, 11-18 Uhr. —Galerie Peter Zimmermann in Mannheim, Leibnizstraße 20, bis 18. November; Dienstag bis Freitag 12.30-18 Uhr. Samstag 11-14 Uhr.

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